Minister einig: „Booster“ für jeden

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Lindau/München – An Alarmrufen mangelt es nicht. „Die volle Wucht der vierten Welle“ schlage zu, warnt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), „vor uns liegen schwere Wochen“. Klaus Holetschek, der CSU-Kollege aus Bayern, nennt die Situation „dramatisch und besorgniserregend“ und sagt: „Wir sind mitten in einer Notlage drin.“ Bei aller Dramatik überrascht dann doch eines: Die konkreten Beschlüsse der Minister sind dünner als erwartet.

Am Ende ihrer zweitägigen Sitzung verkünden die Gesundheitsminister aus allen Teilen der Republik im Grunde nur, was schon Stand ist: Wer will, kann sich nach sechs Monaten seine Drittimpfung abholen. Anders als bisher von der Ständigen Impfkommission empfohlen, gilt das auch für Impflinge unter 70 Jahren, entscheidend ist stets nur die Sechs-Monats-Frist nach der zweiten Dosis. „Boostern sollte die Regel werden, nicht die Ausnahme“, sagt Spahn. („Booster“ ist der Begriff, der sich für die Drittimpfung wohl durchsetzen wird.) Spahn sagt auch: „Wir brauchen mehr Tempo dabei.“

Wo es den dritten Pieks gibt, ist regional unterschiedlich. Den Schwerpunkt sollen die Ärzte leisten. Bayern zum Beispiel will aber auch seine vor wenigen Wochen in den Herbstschlaf geschickten Impfzentren reaktivieren. Außerdem sollen die Impfbusse, die unter anderem in sozial schwierigen Vierteln unterwegs sind, wo der Migrationsanteil hoch und die Impfquote niedrig ist, auch die dritte Dosis anbieten.

Im Werben fürs Impfen sind sich die Minister einig. Spahn rät Zweiflern, mal mit Pflegekräften in der Klinik zu reden und sich berichten zu lassen, dass dort fast nur Ungeimpfte auf den Intensivstationen liegen. „Jeder, der Corona leugnet, der sagt, dieses Virus ist nicht so schlimm, jeder, der zögert, überlegt, ob er sich impfen lassen soll oder nicht, jeder der glaubt, er ist jung, gesund, unverwundbar, sollte vielleicht einfach mal mit Intensivpflegekräften sprechen.“

Uneinig sind die Minister über weitere Schritte. Die von Baden-Württemberg geforderte Impfpflicht für Pfleger, Erzieher, Lehrer kommt vorerst nicht. Der Bund wäre zuständig, der noch amtierende Minister Spahn lehnt das ab. Er sieht eine drohende „Spaltung“. Es gebe eine „moralische Pflicht, sich zu impfen“, für alle, die mit alten und verwundbaren Menschen arbeiten. Eine Pflicht will er aber im Winter nur beim Testen, bei Hochinzidenzen täglich Schnelltests für Besucher und Mitarbeiter, vom Bund finanziert. Das gilt auch für geimpfte und genesene Besucher.

Auch bundesweit „2G“, also den Ausschluss von Ungeimpften aus Veranstaltungen und der Gastronomie, soll es vorerst nicht geben. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat das einmal mehr gefordert: „Eine möglichst flächendeckende 2G-Regel, bundesweit und mit sehr strenger Kontrolle, wäre jetzt richtig. Die Boosterimpfung ist leider zu langsam, um die Welle zu brechen.“ Die Länder sind sich aber nicht einig. Sachsen strebt das an, Bayern aber will Ungeimpfte nicht von der Gastronomie ausschließen; da waren wohl die Freien Wähler dagegen.

„Die Entscheidungen über 2G müssen regional getroffen werden“, sagt Spahn. In Schleswig-Holstein, so sagt er sinngemäß, sei es eben „schwer zu erklären, warum die gleichen Regeln gelten sollen“ wie in einem Hochinzidenz-Landkreis (wie zum Beispiel Miesbach). 2G könne nur „in bestimmten Lagen“ eine Option sein, dann aber auch bei Veranstaltungen und in Restaurants.

Wie das kontrolliert wird, ist ebenfalls Ländersache. Bayern hat bereits angekündigt, die Kontrollen durch die Polizei zu verstärken.

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