Russlands Getreide-Blockade

Putins Spiel mit dem Hunger

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

Europa ängstigt sich vor einem Winter ohne russisches Gas. Das ist schlimm genug, aber unsere Sorge vorm kühlen Wohnzimmer verblasst dann doch ein wenig, wenn man bedenkt, dass der Kreml gerade Hunderten Millionen Menschen ihre Lebensgrundlage vorenthält. Seine Truppen blockieren die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine, mit dem normalerweise viele Staaten in Afrika und Asien ihre Bevölkerung ernähren. Dass russische Militärs inzwischen prahlen, das Getreide zu stehlen (bisher stritt Moskau das ab) und zu verschiffen, ist der Gipfel des Zynismus.

Kurzfristig ist der Vorteil auf Putins Seite. Für 20 Millionen Tonnen Weizen, Mais und anderes Getreide, das in den ukrainischen Häfen lagert, lässt sich kein schneller Ersatz bekommen. Eine Verhandlungslösung ist unausweichlich. Die Perspektive kann nur sein, dass die betroffenen Regionen bei der Lebensmittelproduktion autarker werden. Das geht nicht national – im von Dürren geplagten Somalia etwa sind die Anbaubedingungen, gelinde gesagt, bescheiden. Aber andere afrikanische Länder verfügen durchaus über fruchtbare Böden. Laut UN-Experten ist es denkbar, dass sie zu Exporteuren auf dem Kontinent werden.

So etwas braucht viel Zeit und massive Unterstützung – und leider hat es auch eine Kehrseite. Denn der Getreideexport ist bis dato ein zentrales Standbein der ukrainischen Wirtschaft. Würden die Einnahmen langfristig wegbrechen, hätte Kiew ein weiteres dickes Problem. Putins Kalkül geht spürbar über die Ist-Situation hinaus.

Marcus.Maeckler@ovb.net

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