Washington/Peking/Taipeh – Es ist keine zwei Monate her, da unternahm Nancy Pelosi eine heikle Reise. Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses besuchte Taiwan, trotz internationaler Bedenken. Die Sache sei viel zu provokant, hieß es, Peking werde sich das nicht gefallen lassen. Tatsächlich gab es ein paar atemlose Tage, China startete große Militärmanöver und probte auch die Eroberung der Insel. Aber dabei blieb es und die USA hatten ihre Botschaft gesendet: Washington steht felsenfest hinter Taipeh.
Genug Spannung für ein paar Monate, eigentlich. Dennoch legte US-Präsident Joe Biden jetzt noch mal nach. Wie schon im Mai sicherte er Taiwan militärische Unterstützung zu, sollte China die Insel angreifen. „Ja, wenn es tatsächlich zu einem noch nie da gewesenen Angriff käme“, sagte er in einem CBS-Interview auf die Frage: „Würden die US-Streitkräfte die Insel verteidigen?“
Biden stellte sich in dem am Sonntag ausgestrahlten Gespräch in der Sendung „60 Minutes“ den Fragen von Scott Pelley. Dieser hakte nach: „Also im Gegensatz zur Ukraine, um es klar zu sagen: US-Streitkräfte (…) würden Taiwan im Falle einer chinesischen Invasion verteidigen?“ Biden bejahte auch das.
Damit geht der 79-jährige Biden weiter als seine Vorgänger, die sich in „strategischer Zweideutigkeit“ geübt und diese Frage offengelassen hatten. Die kommunistische Führung in Peking betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Dagegen versteht sich die demokratische Inselrepublik als unabhängig. Zuletzt war die Sorge gewachsen, Peking könnte quasi im Schatten des russischen Krieges in der Ukraine einen Angriff wagen.
Chinas Regierung kritisierte Bidens Äußerungen scharf. Die Äußerungen seien ein „schwerer Verstoß“ gegen den Ein-China-Grundsatz und die Verpflichtungen, die die USA gegenüber Peking eingegangen seien, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning. Die US-Seite schicke „das völlig falsche Signal“ an die Unabhängigkeitskräfte in Taiwan. Niemand sollte die Entschlossenheit Pekings unterschätzen, seine Souveränität zu verteidigen.
Taiwans Regierung begrüßte indes, dass Biden die „felsenfesten Zusagen Washingtons“ bekräftigt habe. Taiwan werde seine Fähigkeiten zur Selbstverteidigung ausbauen, um sich Chinas Provokationen und „der autoritären Aggression zu widersetzen“, sagte Außenamtssprecherin Joanne Ou in Taipeh. Zugleich werde Taiwan die Sicherheitspartnerschaft mit den USA verstärken und die Kooperation mit anderen gleichgesinnten Ländern vertiefen.
CBS-Moderator Pelley ergänzte, dass das Weiße Haus nach dem Interview mit Biden klargestellt habe, dass sich die Politik nicht geändert habe und die USA offiziell nicht sagen würden, ob US-Streitkräfte Taiwan verteidigen würden. Biden hatte sich bereits im Mai bei einer Reise nach Japan ähnlich geäußert und gesagt, die USA hätten eine „Verpflichtung“, Taiwan zu verteidigen.
Die USA haben sich schon lange der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet. Bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1979 zu China, als Taiwan im Regen stehen gelassen wurde, verpflichteten sich die USA mit einem eigenen Gesetz unter anderem, „Waffen defensiver Art“ zu liefern und Taiwan „in die Lage zu versetzen, eine ausreichende Selbstverteidigungsfähigkeit zu wahren“. In dem Gesetz geht es aber auch um Truppen: Die US-Streitkräfte sollten ihre Fähigkeit wahren, „sich jeder Gewaltanwendung oder anderer Form von Nötigung zu widersetzen, die die Sicherheit oder das soziale und wirtschaftliche System des taiwanesischen Volkes gefährdet“.