München – Anfang August noch haben sich die Parteichefs von CDU und CSU vor Ort für den Weiterbetrieb des Kernkraftwerks Isar 2 starkgemacht. In weißen Schutzanzügen und quietschgelben Gummistiefeln standen Markus Söder (CSU) und Friedrich Merz (CDU) in der Anlage im niederbayerischen Essenbach und versicherten: Es gebe keinen Grund, Isar 2 Ende dieses Jahres vom Netz zu nehmen.
Knapp sieben Wochen später wendet sich das Blatt. Der Betreiber Preussen Elektra meldet „eine interne Ventilleckage“ im AKW und wirbelt damit die eigenen Prognosen durcheinander. Denn: Die Anlage-Sicherheit sei zwar nicht gefährdet – ein Betrieb über dieses Jahr hinaus ist damit laut Betreiber aber nicht mehr möglich. Außer die Reparatur erfolgt noch im Oktober.
Das recht plötzlich aufgetauchte Leck wirft vor allem bei den Grünen Fragen auf. „Ich frage mich schon, ob sie über die Leckage nicht informiert wurden, oder ob sie das Problem in ihrer Pressekonferenz am 4. August vor dem Reaktor einfach verschwiegen haben“, sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und stichelt dabei gegen den AKW-Besuch der beiden Unions-Parteichefs.
Auch das bayerische Umweltministerium nimmt die Bundesministerin ins Visier: „Es stellt sich auch die Frage, warum Minister Glauber, immerhin Chef der bayerischen Atomaufsicht, nicht auf das Problem hingewiesen hat. Das ist einfach unseriös.“
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) rügt dagegen den Bund. „Es braucht jetzt endlich eine Entscheidung des Bundes und keine weitere Taktiererei“, sagte er unserer Zeitung. Wie ein Sprecher weiter mitteilt, sei der Fall „sicherheitstechnisch unbedenklich“ und zudem „kein meldepflichtiges Ereignis“.
Rückendeckung bekommt Glauber von Parteikollege und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Dieser sieht einen „politischen Missbrauch der Debatte um das Ventil durch Grüne und Bund Naturschutz“. Vom Koalitionspartner gab es zunächst kein Statement. Ministerpräsident Söder wollte sich gestern nicht äußern. Von einem Sprecher hieß es nur: Die bayerische Staatskanzlei wisse erst seit Montag von dem Leck – aus den Medien.
Den Weiterbetrieb von Isar 2 bewertet das Bundesumweltministerium nun neu. Für einen von Robert Habeck (Grüne) geplanten Notfallreservebetrieb ab Januar brauche es noch „mehrere Gesetzesänderungen“, wie Lemke sagt. Nun stünden Gespräche mit dem Betreiber an.
Dabei hatte der TÜV Süd in einem Gutachten (datiert auf April) noch erklärt, dass nicht nur ein Streckbetrieb, sondern auch eine Reaktivierung des abgeschalteten Blocks C in Gundremmingen technisch möglich sei. Auf Nachfrage unterstreicht Glaubers Ministerium: „Das bayerische Umweltministerium bleibt bei der durch ein Gutachten des TÜV Süd bestätigten Haltung: Ein Weiterbetrieb des Kernkraftwerks Isar 2 wäre sicherheitstechnisch möglich.“
Das TÜV-Gutachten stößt aber auch auf Kritik – damals wie heute. Bayerns Grüne etwa sehen in dem Papier keine „verantwortliche Begutachtung über den Weiterbetrieb“, wie Grünen-Fraktionsvorsitzender Ludwig Hartmann unserer Zeitung sagte. Das Papier bestehe „aus etwa drei Seiten und ist innerhalb von wenigen Tagen geschrieben worden. Der TÜV selber bezeichnet es nicht als Gutachten“, sagt Hartmann.
Unbeeindruckt von der aktuellen Debatte kündigte Merz gestern einen Gesetzentwurf der Union an. Demnach soll die Laufzeit der letzten drei AKW bis maximal Ende 2024 verlängert werden.