Putins Referenden-Show

von Redaktion

VON ULF MAUDER UND ANDREAS STEIN

Luhansk/Moskau – Sie geben sich nicht mal Mühe, den Anschein einer freien Wahl zu wahren. Die sogenannten Referenden in den russisch besetzten ukrainischen Gebieten haben gerade erst begonnen, da lässt der Kreml wissen, man rechne mit 80 bis 90 Prozent Zustimmung zum Beitritt zu Russland. Das Ergebnis darf nicht weniger als überwältigend sein.

Seit Freitag inszeniert Moskau in vier ukrainischen Gebieten Urnengänge. Die Menschen in den besetzten Teilen der Regionen Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine und in den Gebieten Cherson und Saporischschja im Süden sollen bis Dienstag darüber abstimmen, ob sie künftig zu Russland gehören wollen. International gilt das Ganze als Show – Russland lässt sich dennoch nicht abhalten.

In den Gebieten waren Wahlhelferinnen zu sehen, die mit transparenten Urnen herumliefen, um die Menschen abstimmen zu lassen. Russlands Staatsmedien zeigten ausschließlich begeisterte Bürger. Ihre Stimme abgeben durften auch ukrainische Flüchtlinge in Russland, die wegen des Kriegs ihre Heimat verlassen mussten. Angeblich stimmen rund 300 000 geflohene Bürger in Russland ab.

Die internationale Gemeinschaft hat schon angekündigt, man werde das Ergebnis nicht akzeptieren. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bezeichnete am Freitag die Scheinreferenden als neue Form der russischen Kriegsmethode. Kiew sprach von einer „Propagandashow“ des Kreml. Diese „Show“ diene lediglich als Hintergrund für die Teilmobilmachung in Russland, sagte der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, am Freitag. Die besetzten Gebiete müssten „unverzüglich befreit“ werden, erklärte Podoljak.

Moskau warnte Kiew derweil einmal mehr davor, sich die Gebiete zurückzuholen. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte, dass solche Versuche einem Angriff auf die Russische Föderation gleichkämen. Die Atommacht hatte bereits erklärt, die Gebiete mit allen Mitteln zu verteidigen. Und: Das Verfahren für eine Aufnahme der Regionen könne schnell gehen.

Russland beruft sich auf das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“. Es handelt sich aber um Scheinreferenden, weil sie ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen. Auch eine freie Arbeit internationaler unabhängiger Beobachter ist nicht möglich. Auch auf der Krim hatte Russland damals ein Pseudo-Referendum abhalten lassen, um die Halbinsel dann annektieren zu können.

Auf Bildern in sozialen Medien war zu sehen, wie bewaffnete Uniformierte die Menschen in ihren Häusern abfangen und zum Ausfüllen eines Wahlzettels drängen. Das ukrainische Nachrichtenportal TSN zitiert einen Abgeordneten aus der Region Cherson, es sei ein Referendum „unter den Mündungen von Maschinengewehren“. „Stellen Sie sich vor, eine Person kommt mit einem Soldaten zu Ihnen und fragt: ja oder nein? Wenn Sie Nein sagen, werden Sie verhaftet und in den Keller verschleppt.“ Der ukrainische Inlandsgeheimdienst warnte zudem, die Besatzer würden Kinder abstimmen lassen, um die Zahl der abgegebenen Wahlzettel nach oben zu treiben.

Dem Jubel der Moskau-treuen Separatisten tut das keinen Abbruch. Der Donezker Separatisten-Chef Denis Puschilin sprach von einem historischen Tag. „Dieses Referendum ist entscheidend, es ist der Durchbruch in eine neue Realität“, sagte er in einem Video.

International wurden diese Urnengänge bereits als juristisch nichtig bezeichnet. Kiew drohte den Organisatoren mit Strafverfolgung wegen Hochverrats. Die Scheinreferenden gelten auch als eine Reaktion Putins auf die jüngsten Erfolge der Ukraine. Erst am Freitag gab die Ukraine mit der Ortschaft Jazkiwka in der Region Donezk neue Gebietsgewinne bekannt.

In der kürzlich zurückeroberten östlichen Stadt Isjum wurde derweil die Exhumierungen der über 400 entdeckten Gräber abgeschlossen. Das grausame Fazit: Eine Mehrzahl der 436 Leichen sei eines gewaltsamen Todes gestorben – 30 wiesen Folterspuren auf.

Artikel 9 von 11