Meloni taucht im Fitnessstudio ab

von Redaktion

Italiens Wahlsiegerin steht vor gewaltigen Herausforderungen – und setzt auf öffentliche Zurückhaltung

Rom – Die Wahlsiegerin macht sich rar. Am Montag und Dienstag tauchte Giorgia Meloni überhaupt nicht in der Öffentlichkeit auf. Die ganze Welt will von der Römerin wissen, wie es nach der Parlamentswahl in Italien weitergeht, doch Meloni (45) ließ die Fraktionsvorsitzenden in Senat und Abgeordnetenhaus auf einer Pressekonferenz für sich sprechen. Klare Antworten gab es da nicht.

Auf diese Weise bekam die Welt immerhin einmal andere Gesichter der „Brüder Italiens“ zu sehen, die am Sonntag 26 Prozent der Stimmen erreichten und nun aufgerufen sind, das Land in schweren Zeiten zu führen. Meloni selbst brachte unterdessen ihre sechsjährige Tochter zur Schule. Auch ins Fitnessstudio soll sie gegangen sein, wissen die Gazetten. Meloni sei erschöpft, heißt es außerdem – und sie wolle „absolute Seriosität“ vermitteln, ist aus ihrem Umfeld zu erfahren. Lieber erst einmal keine öffentlichen Auftritte und schon gar keine Siegesfeiern.

Natürlich ist die mutmaßlich künftige Regierungschefin längst mit inhaltlicher Arbeit beschäftigt. Die Zeit ist extrem knapp. Am 13. Oktober tritt das neue Parlament erstmals zusammen, die Vorsitzenden müssen gewählt werden. Erst dann beginnen die Konsultationen mit Staatspräsident Sergio Mattarella. Ironie des Schicksals: Die Holocaust-Überlebende und Senatorin auf Lebenszeit, Liliana Segre (92), wird als Altersvorsitzende die erste Sitzung des Senats leiten, der fortan von den Erben des faschistischen Diktators Benito Mussolini geprägt wird.

Im Oktober läuft bereits die Frist aus für die Vorlage des Haushaltsgesetzes 2023, eine Unmöglichkeit für die erst noch zu bildende Regierung. Meloni muss ein inoffizielles Regierungsprogramm aus dem Boden stampfen und die angesichts von Inflation und drohender Rezession nicht gerade üppigen Geldflüsse lenken.

Eine der Fragen, mit der die Wahlsiegerin sich schon jetzt beschäftigen muss, betrifft die Finanzierung von Wahlversprechen, etwa Steuersenkungen für Arbeitnehmer und Betriebe. Wagt Meloni den Kraftakt und tastet die von der Fünf-Sterne-Bewegung eingeführte Sozialhilfe namens Bürgereinkommen an und bringt damit halb Süditalien gegen sich auf?

Zudem wird auch die Kabinettsbildung nicht simpel. Meloni plant mit einem Technokraten im Finanzministerium, um EU und Finanzmärkte zu beruhigen. Der ehemalige Chef der italienischen Zentralbank, Fabio Panetta, soll ihr Kandidat gewesen sein. Er hat aber offenbar abgesagt.

Und dann wäre da noch das Problem Salvini. Lega-Chef Matteo Salvini ist verantwortlich für das schlechte Ergebnis seiner Partei (9 Prozent). Der Ex-Innenminister möchte zurück in sein altes Amt, muss sich aber auf eine Absage Melonis gefasst machen. Zum einen rumort es in der Lega, doch vor allem will Meloni vermeiden, im Schatten des Anti-Migranten-Ministers zu stehen und dessen populäre Sicherheitsdekrete unterschreiben zu müssen.

Etwas leichter scheint der Umgang mit Silvio Berlusconi zu werden. Ein Posten im Kabinett oder institutionelle Ämter scheinen nicht mehr zu den Forderungen des bald 86-Jährigen zu zählen, der stark gealtert wirkt. JULIUS MÜLLER-MEININGEN

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