Kiew – Bei den sogenannten Referenden in vier russisch kontrollierten Regionen in der Ukraine sprach sich nach Angaben der russischen Wahlkommission in den Wahllokalen auf russischem Gebiet eine deutliche Mehrheit für eine Annexion durch Moskau aus. Am Dienstagabend erklärte die Wahlbehörde in Saporischschja nach Auszählung aller Stimmen, dass laut vorläufigem Ergebnis 93,11 Prozent für eine Annexion gestimmt hätten. In Cherson meldete die Besatzungsbehörde eine Zustimmung von 87,05 Prozent. Auch in den weiteren Regionen zeichneten sich demnach klare Mehrheiten ab.
Die Europäische Union betonte in diesem Zusammenhang, sie habe weitere Sanktionen bereits in Vorbereitung. „Wenn Russland diese illegalen Referenden durchführt, werden Sanktionen der Europäischen Union folgen, mit der vollen Unterstützung meines Landes“, sagte Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna. „Diese Sanktionen werden wie die vorangegangenen in einem europäischen Rahmen getroffen.“ Man habe bereits „ohne das Ende dieser Pseudoreferenden abzuwarten die Arbeit unter Europäern aufgenommen, die Konsultationen sind im Gange, um so schnell wie möglich zu einer neuen Serie von Sanktionen zu kommen“, sagte Colonna nach Beratungen mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba. „Diese werden einerseits individuell sein, um die Verantwortlichen dieser illegalen Operationen ins Visier zu nehmen, und betreffen zweifellos andere Sektoren, die bisher noch nicht von Sanktionen betroffen waren und die dies nun sein werden.“
Die international als Völkerrechtsbruch kritisierten Abstimmungen in besetzten Gebieten im Osten und Süden der Ukraine über einen Beitritt zu Russland endeten am Dienstag. Es handelt sich um Scheinreferenden, weil sie ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen.
Ebenfalls am Dienstag hatte auch Großbritannien bereits weitere Sanktionen als Reaktion auf die Referenden angekündigt, die an ihrer Durchführung beteiligte Funktionäre sowie weitere Oligarchen treffen sollen. Die USA hatten am Freitag schon für den Fall einer Annexion der besetzten Gebiete in der Ukraine mit Wirtschaftssanktionen gedroht.
Die Ukraine wird sich von den Scheinreferenden nach eigenen Angaben nicht beeinflussen lassen. „Diese Maßnahmen, diese Entscheidungen von Putin werden keinen Einfluss auf die Politik, Diplomatie und das Handeln der Ukraine auf dem Schlachtfeld haben“, sagte Außenminister Kuleba.
Nach Ansicht von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg stellen die Referenden einen dreisten Verstoß gegen internationales Recht dar. „Diese Gebiete gehören zur Ukraine“, schrieb er am Dienstag auf Twitter nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Stoltenberg habe erneut deutlich gemacht, dass die Nato-Alliierten die Souveränität der Ukraine und ihr Recht auf Selbstverteidigung uneingeschränkt unterstützten.
Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Ex-Präsident Dmitri Medwedew, sagte gestern, dass Moskau die betreffenden Gebiete verteidigen werde – und zwar „auch mit strategischen Atomwaffen“.
Der Föderationsrat – das Oberhaus des russischen Parlaments – könnte nach Angaben der Vorsitzenden Valentina Matwijenko am kommenden Dienstag über den Beitritt der besetzten ukrainischen Gebiete zu Russland entscheiden. An dem Tag sei die nächste planmäßige Sitzung angesetzt, sagte Matwijenko nach Angaben russischer Agenturen. Es bestehe bisher keine Notwendigkeit, Sondersitzungen anzuberaumen. Zuvor war spekuliert worden, Präsident Wladimir Putin könnte schon an diesem Freitag in einer Rede vor beiden Kammern des russischen Parlaments die Annexion der insgesamt vier Gebiete im Osten und Süden der Ukraine formell bekannt geben.