Söders Ex-Minister läuft zur FDP über

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Es bricht aus Franz Pschierer förmlich raus. „In diesem Intrigantenstadl wollte ich die Legislaturperiode nicht zu Ende bringen“, sagt er in die Mikrofone. Es ist sein Abschiedsgruß an die CSU, jene Partei, der er zu Strauß-Zeiten beitrat, für die er 28 Jahre im Landtag saß und zwischendrin zehn Jahre im Kabinett. Keine Frage: Er geht mit Groll.

Pschierer kündigt am Mittwoch an, in die FDP-Fraktion zu wechseln, vollzieht das mit sofortiger Wirkung. Die CSU hat jetzt nur noch 82 Abgeordnete, die FDP 12. Solche Wechsel passieren selten, sind aber erlaubt. Im Fall Pschierer ist es das Ende eines Entfremdungsprozesses. Inhaltlich, der 66-Jährige nennt Corona-, Mittelstands- und Energiepolitik der CSU, mit der er haderte. Aber auch persönlich: Kurzfristig und offenbar ohne sein Wissen hatte sich in seinem Stimmkreis im Unterallgäu ein CSU-Gegenkandidat gemeldet, ein junger Bürgermeister und Kreisrat. Pschierer fühlte sich davon überrumpelt, getäuscht. Eine „Nacht-und-Nebel-Aktion“ sei das, schimpft er: „Ich will so nicht mit mir umgehen lassen.“

CSU-Chef Markus Söder macht er explizit keinen Vorwurf, deutet aber an, die Gegenkandidatur könne aus München gesteuert sein. Er wirkt verletzt, widmet weite Teile seines ersten FDP-Auftritts vor den Medien den lokalen Vorgängen. Offenbar entschied er sich kurzfristig, informierte FDP-Partei- und Fraktionschef Martin Hagen am Dienstagabend.

Hagen heißt ihn willkommen, wenn auch mit Zwischentönen: „Ein Freigeist“, sagt er, das sei ein Gewinn. Die FDP könne „aus Charakterköpfen ein Team formen“. Aus Berlin kommt kein Veto. Der Bundesvorsitzende Christian Lindner sendet nach Bayern laut Hagen eine kurze SMS: „Glückwunsch.“

Pschierers Wechsel hat mehrere Folgen. Örtlich verlässt er auch die Kreistagsfraktion, auf Landesebene gibt er den Vorsitz der Mittelstands-Union ab, einer Vereinigung von CSU-Wirtschaftspolitikern. Das Parteibuch ist gewechselt, und Pschierer beginnt bereits damit, die Ampel in Berlin zu loben. Ob er 2023 für die FDP für den Landtag kandidiert, lassen er und Hagen offen. Es gilt als wahrscheinlich. An die neue Fraktion sendet der Staatsminister a. D. unterschiedliche Signale: Er gelobt, sich „als einfaches Mitglied einzureihen“, verlangt aber, weiter für Wirtschaftspolitik zuständig zu sein. Er war 2008 bis 2018 Staatssekretär (Finanzen/Wirtschaft), später einige Monate lang Wirtschaftsminister. Die Koalition der CSU mit den Freien Wählern kostete ihn sein Amt.

Die CSU verliert nun schon den dritten Abgeordneten in diesem Jahr (Alfred Sauter und Franz Rieger stürzten über Affären). Sie reagiert säuerlich. Pschierer werfe seine „Überzeugungen über Bord, um seine politische Haut zu retten“, sagt Fraktionschef Thomas Kreuzer vor Journalisten. Das sei „kein demokratischer Stil“. Fraktionsmanager Tobias Reiß verbreitet, da habe einer „seinen Charakter in der Dienstlimousine vergessen“, das sei „erbärmlich“. Söder, derzeit auf Ministerpräsidentenkonferenz, schweigt öffentlich. Er wurde per SMS informiert. Seine Regierungsmehrheit ist nicht in Gefahr, noch sind es 109 von 205 Sitzen.

Intern heißt es, Pschierer hätte eine Kampfabstimmung verloren. Sicher ist das nicht. Allerdings wäre es kein Einzelfall: Auch in Niederbayern haben neulich junge Kandidaten zwei altgediente CSU-Abgeordnete gestürzt.

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