Es wird derzeit viel geschimpft über die Bundesregierung. Doch diese Kritik relativiert sich ein wenig, wenn man auf andere Länder schaut: In Frankreich ist Emmanuel Macron seit der Parlamentswahl Mitte Juni schwer angeschlagen, Italien und Schweden sortieren sich neu – und in Großbritannien ist die frische Premierministerin in Rekordzeit in die Krise gerutscht. Die Hoffnung, dass nach dem Auszug von Boris Johnson Ruhe und Ordnung in der Downing Street einziehen möge, ist dahin.
Verloren ist vor allem das Vertrauen in die finanzpolitische Kompetenz von Liz Truss, deren Start ins Amt durch den Tod der Queen nur kurzzeitig aus dem Blickfeld geraten war. Denn ihr Plan, ausgerechnet in einer historischen Wirtschaftskrise den Spitzensteuersatz für Topverdiener zu senken, irritierte auch konservative Bürger und Märkte gleichermaßen. Die Idee, mit der Senkung, die ja durchaus in der wirtschaftsliberalen Tradition Londons gestanden hätte, wirtschaftliche Kräfte freizusetzen, ging gründlich schief. Plötzlich musste sogar die Bank of England langfristige Staatsanleihen kaufen, um die Unsicherheit zu dämpfen. Und weil selbst eigene Abgeordnete rebellierten, folgte auf dem Parteitag am Wochenende die spektakuläre Kehrtwende.
Der Ärger ist damit nicht vorbei. Bei den Tories liegen die Nerven blank, da die Partei in Umfragen meilenweit hinter Labour her hinkt. Der nächste Ärger droht bei den Sozialleistungen, die nicht mit der Inflation Schritt halten. Ob Truss (auf Druck der Konservativen) diesmal hart bleibt? So oder so: Von allen Seiten hagelt es Kritik.
Mike.Schier@ovb.net