Habeck rügt „Mondpreise“ beim Gas

von Redaktion

Ungewöhnlich deutliche Kritik an den USA: Vizekanzler beklagt mangelnde Solidarität

Berlin/München – Es ist ein Fußtritt unter Freunden: Mit ungewöhnlich scharfer Kritik wendet sich Vizekanzler Robert Habeck an die übrig gebliebenen Gas-Lieferanten dieser Welt. „Einige Länder, auch befreundete, erzielen teils Mondpreise“, sagt der Grünen-Politiker. Namentlich erwähnt er die USA.

Hintergrund: Die russischen Gaslieferungen wegen des Ukraine-Kriegs sind fast auf Null eingebrochen, daher müssen die Importeure anderswo teuer Alternativen einkaufen, um ihre Verträge einhalten zu können. In Europa beziehen die Deutschen derzeit Gas unter anderem aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien. Flüssiggas kommt per Schiff aus den USA und Katar. Die Gaspreise im Großhandel sind zwar aktuell wieder im Sinken, waren zwischenzeitlich aber auf ein Vielfaches der früheren Höhe explodiert – über 300 Euro pro Megawattstunde, das langjährige Mittel liegt zwischen zehn und 20. Bei Flüssiggas kommen Transportkosten per Schiff hinzu.

Profiteure der Gaspreis-Explosion sind unter anderem Fracking-Konzerne in den USA oder Kanada, die zuvor wegen des viele Jahre stabil niedrigen Erdgaspreises mit Problemen zu kämpfen hatten. Die führenden Fracking-Konzerne sind das US-Unternehmen EOG Resources und im Bereich Fracking-Sand Hi-Crush-Partners. Aber auch die US-Öl-Konzerne Exxon und Chevron verdienen gut am neuen Fracking-Boom. Die Aktie von EOG Resources stieg im Jahresvergleich um fast 70 Prozent, die ExxonMobil-Aktie um 78,4 Prozent.

Habeck nennt keine Firma, bleibt vage auf Ebene der Länder. Er sagt im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, es würden „überhöhte“ Preise verlangt. „Die USA haben sich an uns gewandt, als die Ölpreise hochgeschossen sind, daraufhin wurden auch in Europa die nationalen Ölreserven angezapft. Ich denke, eine solche Solidarität wäre auch zur Dämpfung der Gaspreise gut.“

Sein Plan: Europa soll sich zusammentun, moderiert aus Brüssel. Er setze darauf, „dass die EU-Kommission darüber auch mit den befreundeten Staaten spricht“, sagte der Bundesminister. Die EU sollte „ihre Marktmacht bündeln und ein kluges Einkaufsverhalten der EU-Staaten orchestrieren, damit sich einzelne EU-Länder nicht gegenseitig überbieten und die Weltmarktpreise hochtreiben“. Die europäische Marktmacht sei „gewaltig“, sie müsse nur genutzt werden.

Der Erste mit dieser Botschaft ist Habeck nicht, nur der mit den deutlichsten Worten. Am Wochenende hatte auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) „bizarre Übertreibungen beim Gaspreis“ sowie „absurde Preisspitzen“ beklagt. Für den Staat geht es dabei auch bald um hohe Milliardensummen, wenn die Zusage der Regierung greift, den Gaspreis für die Endverbraucher zumindest teilweise zu deckeln – ein in Europa umstrittener Plan.

Eine akute Gas-Not zeichnet sich dabei in Deutschland nicht mehr ab. Die Speicher sind sogar schneller gefüllt als erwartet. Habeck rechnet bis Ende Oktober mit dem angepeilten Gasspeicherfüllstand von 95 Prozent. Die jüngste Zahl liegt bei 92,08 Prozent. Hier ist allerdings der für Bayern wichtige Gasspeicher Haidach (Österreich) nicht eingerechnet.

Habeck rief die Deutschen in seinem „NOZ“-Interview dazu auf, weiter sparsam zu sein. Der Verbrauch müsse gegenüber dem Vorjahr „um mindestens 20 Prozent gesenkt werden. Für Entwarnung ist es da viel zu früh.“ K. RIMPEL/C. DEUTSCHLÄNDER

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