Stillstand nach dem Gipfel

von Redaktion

VON M. NIEDZOLKA, T. MÜNCH, A. HOENIG UND M. BEYER

Berlin – Am Ende muss man nicht nur genau hinhören, man muss auch eine Menge Geduld aufbringen. Olaf Scholz nimmt einen langen Anlauf, er lobt die angenehme Atmosphäre bei diesem Bund-Länder-Gipfel, den freundlichen Ton und versteigt sich sogar zu der Aussage, man habe „relativ schnell“ beraten. Nur leider passt das alles nicht zu den betretenen Gesichtern der anderen Teilnehmer, zu deren bescheidenem Fazit – und vor allem zu der Tatsache, dass die relativ schnellen Beratungen keinerlei konkretes Ergebnis gebracht haben. Diesen Umstand erwähnt der Kanzler erst nach einigen Minuten.

Tatsächlich ist die Unzufriedenheit groß, bei den Teilnehmern ebenso wie in den Parteizentralen. Die Unsicherheit im Land angesichts explodierender Energiepreise drängt schließlich zur Eile, doch gemessen an den Erwartungen, die an dieses Treffen geknüpft waren, ist das Ergebnis kümmerlich. Gaspreisbremse, Wohngeld-Finanzierung, Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket – auf viele drängende Fragen gab es am Dienstag keine Antwort. Stattdessen vertagte man sich. Das koste wertvolle Zeit, kritisierte gestern Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). „Man merkt die Unsicherheit, nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch auf der Straße.“

Doch die Fronten bleiben verhärtet. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderte Entgegenkommen von den Ländern bei der Finanzierung von Flüchtlingskosten. Der Bund trete hier nur unterstützend an die Seite der Länder. „Und insofern muss es hier ein Aufeinanderzubewegen geben und nicht alleine nur eine Bestellung von Mitteln beim Bund.“ Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) warnte zwar vor gegenseitigen Schuldzuweisungen und appellierte, konstruktiv und besonnen zu bleiben. Doch das blieb eine fromme Hoffnung.

Wenige Tage vor der Landtagswahl in Niedersachsen hätte der dortige Regierungschef Stephan Weil (SPD) als neuer Vorsitzender der Länderrunde gern auf großer Bühne konkrete Pläne vorgestellt. Der Rückenwind für Sonntag blieb aber aus.

Stattdessen nutzte die Konkurrenz die Chance für deutliche Kritik, auch an ihm persönlich. CDU-Chef Friedrich Merz sprach gegenüber der Funke-Mediengruppe von einem „Abend der verpassten Chancen“, der die Bürger verunsichere. Weil als Vorsitzender sowie Bundeskanzler Scholz seien „alleine verantwortlich, dass es keine Ergebnisse gibt“.

Bernd Althusmann, Niedersachsens CDU-Landeschef und Weils direkter Kontrahent, übte ebenfalls Kritik: „Auch nach der gestrigen Bund-Länder-Runde bleiben dringlichste Fragen zur sofortigen Entlastung der Menschen und mittelständischen Betriebe im Ankündigungs-Modus.“ NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) warf der Bundesregierung vor, kaum Kompromissbereitschaft erkennen zu lassen.

Die allerdings sieht es genau umgekehrt. Laut „Spiegel“ kommentierte Scholz in der Runde das mangelnde Entgegenkommen der Länder mit beißendem Spott. Deren Erwartungshaltung sei das Problem: „Noch was, noch was – wie auf dem Fischmarkt“, ereiferte sich der Kanzler einmal.

Die Geduldsprobe geht damit weiter. Kommende Woche sollen nun Vorschläge zur Senkung des Gaspreises auf dem Tisch liegen. Die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission zur Gaspreisbremse will am Wochenende einen „belastbaren Vorschlag“ vorlegen. Danach soll feststehen, wie die Gaspreisbremse wirkt. Immerhin. Andere Fragen werden länger offen bleiben.

Der Druck bleibt hoch. Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer hält zwar den 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm der Bundesregierung weiter für eine gute Idee. Den Ankündigungen müssten jetzt aber auch endlich greifbare Entlastungen folgen: „Ein Schirm, der nicht aufgespannt wird, schützt auch nicht.“

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