Vielleicht wäre es mal ein gutes Thema für eine Doktorarbeit in der Psychologie: Was treibt Altkanzler nach ihrem Wirken zu einer solchen Verbohrtheit, dass sie ihr eigenes Handeln rückblickend nicht mehr kritisch hinterfragen können? Helmut Kohl ruinierte seinen Ruf für ein paar ominöse CDU-Spender. Gerhard Schröder verkaufte sich an Wladimir Putin. Und auch Angela Merkel entwickelt sich angesichts der deutschen Energiekrise zu einer tragischen Figur, die aktuell nur von Viktor Orbán (und gelegentlich noch Markus Söder) gepriesen wird.
Der Starrsinn, mit dem die Altkanzlerin ihre Entscheidungen für russisches Gas verteidigt, erinnert erstaunlich an ihren Vorgänger, von dessen Art des Regierens sie sich einst so spektakulär gelöst hatte. Dass sie ausgerechnet in Lissabon erklärt, es sei „sehr rational und nachvollziehbar“ gewesen, voll und ganz auf Moskau zu vertrauen, ist besonders pikant, schließlich baut Portugal seit Jahren auf Flüssiggas aus anderen Orten. In Lissabon ist der Ärger über die deutsche Abhängigkeit groß.
Natürlich: Die Kanzlerin regierte nicht allein, aber ihr Vize Scholz muss die Fehler von einst jetzt wenigstens selbst gerade rücken. Nebenbei werfen Merkels Sätze ein Schlaglicht auf die Unionsparteien, denen derzeit außer Ampel-Bashing wenig zur Problemlösung einfällt.
Mike.Schier@ovb.net