Bundesregierung kippt Hartz IV

Das Ampel-Bürgergeld schreibt „fordern“ klein

von Redaktion

VON GEORG ANASTASIADIS

Fast zwei Jahrzehnte lang hat die SPD wie ein Hund an einer Arbeitsmarktreform gelitten, die – trotz mancher Konstruktionsfehler – besser war als ihr Ruf. Das mit der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 verbundene Prinzip „Fördern und Fordern“ hat den Niedriglohnsektor spürbar belebt, aber es hat auch die deutsche Sozialdemokratie auf eine traumatische Talfahrt geschickt und ihren Kanzler Gerhard Schröder das Amt gekostet. Mit der Einführung des neuen „Bürgergelds“ zum 1. Januar 2023 will SPD-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil das verhasste Wort Hartz IV für immer aus dem Gedächtnis der Genossen und ihrer Wähler streichen.

Nicht alles ist schlecht am neuen Bürgergeld der Ampelkoalition: Die Erhöhung der Regelsätze, etwa um 53 Euro für Alleinstehende auf dann 502 Euro, ist angesichts der hohen Teuerung kaum zu kritisieren, auch nicht die Anhebung des bisher sehr knapp bemessenen Schonvermögens für die Bezieher von Stütze. Der problematische Kern des Ampelgesetzes ist, dass „fördern“ künftig größer und „fordern“ kleiner geschrieben wird, weil staatliche Leistungen während einer sechsmonatigen „Vertrauenszeit“ auch dann kaum angetastet werden, wenn Arbeitslose mehrfach Termine im Jobcenter ignorieren. Wer nicht arbeiten will, lässt’s eben bleiben: In einer Zeit leerer Staatskassen und gravierenden Arbeitskräftemangels – fast zwei Millionen offene Stellen sind derzeit gemeldet – ist das anderen Beschäftigten, die mit ihren Abgaben die Bequemen mitzufinanzieren haben, kaum begreiflich zu machen.

Zugleich macht die Ampel keinen Hehl daraus, dass sie sich die Behebung des Arbeitskräftemangels von mehr Zuwanderung verspricht. Die 2,5 Millionen heimischen Arbeitslosen hat die Regierung offenbar abgeschrieben. Soll das der „Geist der Ermutigung“ und der „Beitrag zum sozialen Zusammenhalt“ sein, den Heil gestern im Bundestag beschwor?

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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