Xis Machtdemonstration

von Redaktion

VON MARC BEYER

München/Peking – Auf einem chinesischen Parteitag geschieht nichts ungeplant. Er findet nur alle fünf Jahre statt, alles folgt hier einer großen Ordnung, sogar die Versorgung mit Tee. Im Internet gibt es Videos von der jüngsten Auflage, die am Wochenende endete. Ein Geschwader von Helfern füllt in einer Pause die Tassen der Teilnehmer auf – mit vollkommen synchronen Bewegungen.

Während diese Aufnahmen beim Publikum mit einer gewissen Heiterkeit aufgenommen wurden, ließ eine andere Szene die Betrachter frösteln. Am Samstag, kurz vor den Abstimmungen der 2300 Delegierten über eine Änderung der Parteiverfassung, mit der die Macht von Xi Jinping gefestigt werden sollte, wurde sein Vorgänger Hu Jintao von Saaldienern vom Podium geführt. Zur offensichtlichen Überraschung und gegen den Willen Hus.

Als ein Ordner ihn am Arm packte, wehrte Hu (79) den Mann zunächst ab, ebenso wie einen zweiten Versuch, ihn mit beiden Händen unter den Achseln von seinem Platz zu heben. Gleichzeitig griff Hu nach Papieren auf dem Podiumstisch, die Xi jedoch festhielt. Nur mit Mühe gelang es dem Saaldiener und einem Kollegen schließlich, Hu zum Aufstehen zu bringen. Dessen Sitznachbar scheint noch eingreifen zu wollen, jedenfalls deuten die Bilder darauf hin, setzt sich aber schnell wieder, als ein weiterer Funktionär ihn am Jackett zupft. Die meisten seiner Parteikollegen blicken derweil starr nach vorne, als hätten sie die Szene gar nicht bemerkt. Kurz darauf beschließen die Delegierten einstimmig, Xi Jinpings „zentrale Rolle“ innerhalb der KP in der Verfassungs-charta festzuschreiben.

Unmittelbar vor dem Zwischenfall war der Saal auch für Journalisten geöffnet worden. Es wäre ein Leichtes gewesen, Hu unter Ausschluss der weltweiten Öffentlichkeit von der Bühne zu führen. Dass die Journalisten es mitbekamen, war ganz offensichtlich beabsichtigt. Chinesische Medien erwähnen die Szene dagegen nicht. Im Internet ist der Name Hu Jintao zunächst nicht aufzurufen. Als die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua schließlich eine Meldung verbreitet, geschieht das via Twitter – das in China gesperrt ist.

Hu habe sich nicht wohl gefühlt und sei daraufhin aus dem Saal geführt worden, heißt es zur Begründung. Das Team, das sich um die Gesundheit des Ex-Präsidenten kümmere, habe ihn in einen Nebensaal geführt, sodass er sich dort habe „ausruhen“ können. Inzwischen gehe es Hu aber „viel besser“.

Ob Hu unfreiwillig den Saal verlassen habe oder nicht, „der Effekt ist der gleiche“, schrieb der China-Experte Alex White auf Twitter. Für die letzte Führungsgeneration der Zeiten vor Xi bedeute der Vorfall eine „totale Erniedrigung“. Hu gehört nicht zu den engsten Unterstützern Xi Jinpings, er steht für eine Aufteilung der Führung zwischen mehreren Machtzirkeln sowie für die bisherige Alters- und Amtszeitbegrenzung. Diese Regelung gilt für Xi nun nicht mehr.

Auf dem Parteitag festigt er seine Position als mächtigster Führer des Landes seit Staatsgründer Mao Zedong. In einem Bruch mit den Regeln nach Maos Tod ernennt das Zentralkomitee der KP den 69-Jährigen für eine dritte Amtszeit zum Generalsekretär und ebnet ihm damit den Weg für ein drittes Mandat an der Staatsspitze. Im mächtigen Ständigen Ausschuss sitzen künftig nur noch enge Verbündete Xis.

Als KP-Generalsekretär dürfte er im März vom Nationalen Volkskongress auch für weitere fünf Jahre an der Staatsspitze bestätigt werden. Den Weg dafür hatte Xi 2018 geebnet, als er die Begrenzung der Amtszeit auf zwei Mandate abschaffte. Theoretisch könnte er nun Präsident auf Lebenszeit bleiben.  mit afp

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