Melonis Absage an den Faschismus

von Redaktion

VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom – Italiens neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat sich in ihrer ersten Regierungserklärung am Dienstag von ihrer neofaschistischen Vergangenheit distanziert. Sie habe „nie Sympathie oder Nähe für undemokratische Regime empfunden, für kein Regime, auch nicht den Faschismus“, sagte die 45-Jährige bei ihrem ersten Auftritt als Premierministerin im Abgeordnetenhaus. Die Rassengesetze von 1938 bezeichnete Meloni als „Tiefpunkt der italienischen Geschichte“ und als „Schande für die Italiener“. Am Dienstagabend bekam die Regierung Meloni das Vertrauen des Abgeordnetenhauses. 235 Parlamentarier stimmten für, 154 gegen die Regierung. Am Mittwoch folgt die Vertrauensabstimmung im Senat.

Meloni, die am Wochenende die Amtsgeschäfte von ihrem Vorgänger Mario Draghi übernahm, steht einer Rechts-Koalition aus ihrer als postfaschistisch bezeichneten Partei Fratelli d’Italia, der rechtsnationalen Lega und der konservativen Forza Italia vor. Meloni selbst war in den 90er-Jahren in der Jugendorganisation der italienischen Neofaschisten aktiv und äußerte damals Sympathien etwa für Benito Mussolini. Nun, als Ministerpräsidentin, will sie von dieser Vergangenheit offenbar Abstand nehmen.

In ihrer 70-minütigen Rede versuchte die Römerin die Verbündeten Italiens in Europa und den USA auch mit anderen Aussagen zu beruhigen und versprach konstruktive Zusammenarbeit. „Italien ist ganz und gar Teil des Westens und seines Bündnissystems“, sagte Meloni. Sie kündigte an, dass ihre Regierung sich innerhalb der europäischen Institutionen „Gehör verschaffen wolle“, aber nicht „um die europäische Integration zu bremsen oder zu sabotieren“. Europa solle effektiver werden. Auch in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht versprach Meloni Kontinuität zur Vorgängerregierung. „Diese Regierung wird sich an die geltenden Regeln halten“, sagte sie. Italien werde weiterhin ein vertrauenswürdiger Partner sein.

Meloni verurteilte außerdem den „russischen Angriffskrieg“ auf die Ukraine und versprach deren Bevölkerung Unterstützung. Diese klare Linie unterscheidet die Parteichefin der Fratelli d’Italia (FdI) von ihren Koalitionspartnern Lega und Forza Italia. Aus der Lega um den früheren Putin-Bewunderer Matteo Salvini werden immer wieder Zweifel am Sinn der Sanktionen gegen Moskau laut. Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi rühmte sich vor Tagen für seine Freundschaft zu Russlands Präsident Wladimir Putin und übernahm dessen Version der Rechtfertigung des Einmarsches in der Ukraine. Meloni hatte daraufhin Italiens Bindung an die Nato zur Grundbedingung für die Regierungsbildung erklärt.

Meloni kündigte der illegalen Einwanderung den Kampf an. Italien werde die „illegalen Abfahrten stoppen“, sagte die Regierungschefin. Unter Transportminister Salvini, der für die Küstenwache und die Hafenbehörden zuständig ist, will Italien zu einer umstrittenen Migrationspolitik zurückkehren. Als Innenminister hatte Salvini 2019 den Schiffen von Hilfsorganisationen die Einfahrt in Häfen verboten. Meloni kündigte nun eine „Schiffsblockade“ an. In Zusammenarbeit mit der EU und nordafrikanischen Behörden sollen die Flüchtlingsboote laut Meloni bereits an der Abfahrt gehindert werden. Auf afrikanischem Boden sollen die Asyl-Gesuche vor einer legalen Weiterreise geprüft werden.

„Wir sind mitten in einem Sturm“, sagte die Ministerpräsidentin über Energiekrise, Inflation und Ukraine-Krieg. Sie stimmte die Italiener auf schwere Zeiten ein. So wies sie auf die schlechten Wirtschaftsaussichten hin, nach der Italien 2023 in eine Rezession rutschen wird. Die Premierministerin stellte eine Steuerreform in Aussicht, mit der Unternehmen und Familien mit einem einheitlichen Steuersatz entlastet werden sollen. Über die Finanzierung dieser Maßnahmen sagte sie nichts. Zudem plant sie eine Verfassungsreform. Der Rechts-Koalition schwebt ein semipräsidentielles Modell nach französischem Vorbild vor.

Artikel 8 von 11