München – Das russische Außenministerium hat angebliche Beweisfotos veröffentlicht, die zeigen sollen, dass die Ukraine an einer „schmutzigen“ (also mit radioaktivem Material versetzten) Bombe arbeite. Seltsamerweise sind die darauf zu sehenden Tüten mit dem Radioaktivitäts-Symbol nicht mit den in der Ukraine üblichen kyrillischen Buchstaben beschriftet. Die Erklärung dafür: Die Fotos stammen nicht aus der Ukraine, sondern von der slowenischen Behörde für die Entsorgung von Atommüll, ARAO.
Dragan Barbutovski, Berater des slowenischen Regierungschefs Robert Golob, erklärte, das von Moskau im Online-Netzwerk Twitter veröffentlichte Foto sei 2010 aufgenommen worden. Die Säcke, auf denen das slowenische Wort „Radioaktivno“ steht, zeigen laut ARAO-Chef Sandi Virsek Rauchmelder und keinerlei radioaktives Material. Das Foto sei für Präsentationen verwendet worden. „Radioaktiver Abfall in Slowenien wird sicher verwahrt und ist unter Beobachtung. Er wird nicht für den Bau von ‚schmutzigen Bomben‘ verwendet“, erklärte er.
Russlands für radioaktive, biologische und chemische Substanzen zuständiger Generalleutnant Igor Kirillow hatte behauptet, die Ukraine sei „in der abschließenden Phase“ der Herstellung einer „schmutzigen Bombe“. Am Mittwoch erklärte auch Wladimir Putin, „dass es Pläne gibt für eine Provokation, eine sogenannte schmutzige Bombe einzusetzen“.
Westliche Sicherheitsexperten befürchten, dass der Kreml mit dieser Behauptung einen Vorwand für eine weitere Eskalation des Krieges vorbereiten könnte. Möglich sei auch, dass Russland selbst plane, eine „schmutzige Bombe“ zu zünden, und schon vorab die Verantwortung dafür Kiew zuschieben wolle. Experten wie der Politikwissenschaftler Gerhard Mangott glauben jedoch nicht an einen Einsatz solch einer radioaktiven Bombe. Putin wolle mit der Diskussion nur Angst und Unsicherheit in der westlichen Bevölkerung verbreiten, so Mangott.
Der Kreml legte mit einer weiteren Drohung nach: Russland werde kommerzielle US-Satelliten abschießen, sollten diese im Ukraine-Krieg weiter zur Datenweitergabe an Kiew genutzt werden. Es sei eine gefährliche Tendenz, dass die USA zivile Satelliten für militärische Konflikte nutzten, sagte ein Vertreter des russischen Außenministeriums bei den Vereinten Nationen.
Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung schwanken täglich. Putin bekräftigte nach mehr als acht Monaten Krieg gegen die Ukraine seine Bereitschaft zu Friedensverhandlungen. Allerdings habe sich die Regierung in der Ukraine unter dem Einfluss der USA gegen solche Gespräche entschieden, sagte er am Donnerstag bei einem Moskauer Diskussionsforum. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lehnte Gespräche mit Putin per Dekret ab. Putin erneuerte auch seinen Vorwurf, der „aggressive Westen“ sei gegen Russland.
Derweil setzt das russische Militär seine Attacken auf die ukrainische Infrastruktur fort. In der Nacht zum Donnerstag seien bei einem russischen Angriff auf eine Energie-Anlage im Umland von Kiew „ernsthafte Schäden“ entstanden. „Es könnte passieren, dass halb Kiew ohne Licht dasitzt“, erklärte ein Sprecher des ukrainischen Stromversorgers Yasno. kr