„Scholz hat die Lehre nicht verstanden“

von Redaktion

Joachim Krause, Experte für Sicherheitspolitik, über Pekings Hafen-Beteiligung und Deutschlands heikle Abhängigkeit

München – Die Entscheidung, dem chinesischen Staatskonzern Cosco den Einstieg beim Hamburger Hafen zu genehmigen, sorgt weiter für Befremden. Im Interview erklärt Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, warum der Bundeskanzler falsche Prioritäten setzt.

Verstehen Sie die Entscheidung des Kanzlers?

Ich kann sein Verhalten nicht nachvollziehen. Wir leben in einer „Zeitenwende“, die Kanzler Scholz ja ganz richtig so benannt hat. Zur „Zeitenwende“ gehört auch, dass wir uns aus strategischen Abhängigkeiten von Staaten wie Russland oder China befreien, die offensichtlich kriegerische Absichten verfolgen und uns mit diesen Abhängigkeiten erpressen. Das ist hier offensichtlich nicht geschehen.

Etliche Fachministerien sahen es anders als Scholz.

Das zeigt, dass der Kanzler immer noch nicht verstanden hat, was „Zeitenwende“ bedeutet. Es sieht so aus, als ob kurzfristige ökonomische Erwägungen, in diesem Fall für seine Heimatstadt Hamburg, den Ausschlag gegeben haben, aber keine langfristige Perspektive. Das ist kein guter Ausweis für seine Führungsqualität als Kanzler aller Deutschen, die er ja gerne für sich beansprucht.

Hat Deutschland aus der Abhängigkeit von Russland nichts gelernt?

Hat es offenkundig nicht, zumindest nicht der Bundeskanzler. Die Abhängigkeiten von China sind umfassender und viel tiefgreifender als im Fall Russlands. Und wir merken derzeit, wie schmerzhaft es ist, sich von der Abhängigkeit von russischem Erdgas zu befreien. Bei China sieht die Lage sehr viel schwieriger aus. Man kann nicht von heute auf morgen alle Abhängigkeiten von China beseitigen. Das ist ein Prozess, der lange Zeit in Anspruch nehmen wird. Auf keinen Fall sollte man zu diesem Zeitpunkt die Verflechtung mit China vergrößern.

Ist das eine Fortsetzung der Politik Gerhard Schröders und Angela Merkels?

In gewisser Weise ja: Die beiden haben sich immer sehr stark an den Interessen der Industrie orientiert. Das wurde dann garniert mit hehren Zielen wie Völkerverständigung, Vertrauensbildung, Dialogbereitschaft und so weiter. Da kam dann eine ganz gefährliche Mischung im Sinne einer Beschwichtigungspolitik heraus, wie wir in der Ukraine sehen. Diese Lehre hat Olaf Scholz offensichtlich nicht verstanden.

Was für ein Signal sendet Scholz an China?

Für Peking ein gutes, aber für die westliche Gemeinschaft ein fatales Signal. Es zeigt, dass China mit seiner Politik doch noch Erfolge erzielen und die westliche Welt spalten kann. Nächste Woche reist der Kanzler nach China, mit großer Wirtschaftsdelegation. Ich habe dafür kein Verständnis. Unter Bedingungen der „Zeitenwende“ ist es nicht die Zeit für solche Delegationsreisen. Vielmehr müssen wir uns mit unseren Freunden und Verbündeten in Europa, Nordamerika und Asien darüber verständigen, wie wir am besten mit der Herausforderung umgehen.

Unabhängiger werden will man schon seit Corona.

Es könnte bedeuten, dass wir viele Vor-, Zwischen- und Endprodukte, die wir heute aus China beziehen und gar nicht mehr selber herstellen, aus anderen Ländern beziehen oder wieder in Europa herstellen. Dies ist besonders wichtig bei Technologieprodukten oder Vorprodukten sowie bei bestimmten Metallen und Mineralien, wo China deswegen ein Monopol hat, weil es keine scharfen Umweltauflagen vornimmt.

Droht Deutschlands Führungsrolle in Europa Schaden zu nehmen?

Leider ja. Die Vorbildrolle hat schon in vielen Bereichen gelitten. Unser Erscheinungsbild in Osteuropa kann schlechter gar nicht mehr werden, gerade wegen unserer Haltung zu Russland. Der Kanzler erweckt den Eindruck, business as usual zu betreiben, obwohl China androht, Taiwan zu erobern. Tatsächlich muss er eine neue Strategie für den Umgang mit China und Russland entwickeln, davon sehe ich leider im Kanzleramt nichts.

Interview: Marc Beyer

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