Berlin/Peking – Eine Übernachtung ist angesichts der scharfen Corona-Bestimmungen nicht geplant, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der kommenden Woche mit einer Wirtschaftsdelegation nach China reist. Vor dem Start der durchaus heiklen Reise am kommenden Freitag fordern Politikerinnen und Politiker der Ampel-Koalition eine klare Positionierung des Regierungschefs in Bezug auf die Volksrepublik.
Nach seiner Ankunft ist ein Treffen mit Staatspräsident Xi Jinping geplant, danach ein Gespräch mit Ministerpräsident Li Keqiang. Es ist das erste persönliche Zusammentreffen mit Xi und Li in Scholz’ Funktion als Bundeskanzler, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin sagte.
Es werde „um die gesamte Bandbreite unserer Beziehungen zu China gehen“, außerdem um internationale Themen wie den Kampf gegen den Klimawandel, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und Spannungen in Ostasien, so Hebestreit. Auf Nachfrage sagte er, die Bandbreite der Themen umfasse „natürlich auch autokratische Bestrebungen innerhalb Chinas“ und Fragen der Menschenrechte, insbesondere mit Blick auf den Umgang mit Minderheiten.
Der Regierungssprecher verwies darauf, dass Scholz immer wieder gesagt habe, er sei kein Freund davon, sich von China abzuwenden. Der Kanzler sage aber auch, es gehe darum, Abhängigkeiten zu verringern und Risiken zu minimieren, etwa mit Blick auf Lieferketten oder die Rohstoffversorgung. Scholz gehe davon aus, „dass wir in eine multipolare Welt übergehen“. Vor diesem Hintergrund „wird man mit vielen Ländern in der Welt agieren können und müssen“.
Scholz müsse bei dem Besuch „ganz deutlich machen, wo die Grenzen bei Geschäften mit einer Demokratie sind“, sagte die Juso-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Jessica Rosenthal. „Es kann nicht sein, dass China glaubt, mit Druck seinen Einfluss derart ausbauen zu können, ohne auch deutschen oder europäischen Unternehmen solche Investitionen in chinesische Infrastruktur zu gewähren“, führt Rosenthal aus. „Da muss man es als Bundesregierung auch mal aushalten, wenn man den Diktator Xi Jinping vor den Kopf stößt. Denn gibt man dem Druck nach, vertieft sich die Abhängigkeit nur immer mehr.“ Im Umgang mit China dürfe Deutschland „nicht die gleichen Fehler wiederholen, die wir mit Russland gemacht haben“, warnte die Sozialdemokratin. „Das muss jetzt hohe Priorität bei uns allen haben. Insbesondere kritische Infrastruktur gehört schlichtweg nicht in private, sondern allein in öffentliche Hand.“ Dabei bezieht sich Rosenthal auf die umstrittene Erlaubnis des Bundeskabinetts zur Beteiligung der staatlichen chinesischen Reederei Cosco an einem Terminal des Hamburger Hafens (wir berichteten).
Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Ulrich Lechte, forderte mit Blick auf die Cosco-Entscheidung, Scholz müsse bei seinem Antrittsbesuch in Peking eine „deutlich härtere Gangart gegenüber China“ einschlagen. Dass Scholz trotz Warnungen dem Verkauf der Anteile zugestimmt habe, sei nicht nachvollziehbar, sagte Lechte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). „Sich von einem autoritären System ohne Not abhängig zu machen, finde ich fahrlässig und kurzsichtig.“
Der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer sagte den RND-Zeitungen, es bringe Scholz in Peking vielleicht ein paar Punkte, dass er einem „offenen chinesischen Erpressungsversuch in Sachen Cosco“ nachgegeben habe. Es schade aber Deutschlands Ansehen bei anderen Verbündeten.
Aus der Union kam grundsätzliche Kritik an der China-Reise. „Der Bundeskanzler tut so, als habe sich in China unter Xi Jinping nichts geändert, und reist wie eh und je mit einer riesigen Wirtschaftsdelegation nach China“, sagte CDU-Außenexperte Norbert Röttgen. „Das ist das falsche Signal nach innen und außen.“ So riesig ist die Delegation aber nun auch nicht. Laut Handelsblatt gab es 100 Bewerber. Zwölf Plätze an Bord der Maschine sind nun für Wirtschaftsvertreter reserviert. Dabei sind Oliver Blume (VW), Siemens-Chef Roland Busch, Martin Brudermüller (BASF), Merck-Chefin Belén Garijo und Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing.
FDP fordert deutlich härtere Gangart gegenüber Peking