„Otium cum dignitate“ – ein Leben voller Muße und Würde im Alter nach erfüllter Lebensleistung, wer heute in Rente geht, kann davon nur träumen.
Der Stress beginnt schon im Vorfeld. Anträge sind zu stellen, alle Unterlagen sind immer bereitzuhalten. Im Zweifel muss ein Steuerberater helfen, denn es gibt die sogenannte „Nachgelagerte Rentenbesteuerung“. Sie ist umständlich, doch wie immer, wenn der Staat etwas macht, gut gemeint. Schließlich konnte man dafür im Berufsleben Aufwendungen für die Altersversorgung vom steuerpflichtigen Einkommen abziehen.
Auch einen Arbeitsplatz kann man heute nicht so einfach verlassen. Je besser jemand von seinem Arbeitgeber mit Handy, Laptop und vielleicht sogar einem Dienstauto ausgestattet war, desto mehr muss er jetzt selber kaufen und einrichten. Schmerzlich vermisst man die IT-Abteilung des alten Arbeitgebers. Die war immer hilfreich zur Stelle.
Hat man das alles hinter sich gebracht, dann beginnt die eigentliche Aufgabe, sich im neuen Leben zurechtzufinden. Dass der Haushund sich wundert, dass Herrchen nun auch in der Woche zuhause ist, bleibt dabei das geringste Problem. Schwieriger ist es schon, dass die Ehefrau nicht einsieht, wieso sie jetzt plötzlich zum Mittagessen einkaufen soll für den Mann, der doch nie da war.
Achtung: Hier liegt die berühmte „Ödipussi-Falle“, die Gefahr nämlich, dass der frischgebackene Rentner eingedeckt wird mit allen möglichen Besorgungsterminen, die für ihn ebenso ungewohnt sind wie die Orientierung im Supermarkt. Am besten wehrt man das ab, indem man noch einige „ehrenamtliche“ Aufgaben aus dem alten Berufsleben behält, um sie im richtigen Augenblick vorzuschieben.
Dass der Terminkalender sich allmählich doch wieder füllt, ist keineswegs selbstbestimmt. Es liegt an den Kinderfamilien und Enkelkindern, nach denen man sich zu richten hat. Man lässt sich ja eigentlich gerne einsetzen als Hilfskraft, vom Kindergarten über die Schule, die Sporttermine bis zu den Ferien mit den Enkeln, damit deren Eltern auch einmal alleine verreisen können. Deswegen erlahmt die Widerstandskraft gegen solche „Verpflichtungen“ auch bald. Nur manchmal denkt man wehmütig daran, dass es ja auch einmal ein eigenes Leben gab.
Am schmerzlichsten beim Rentnerleben aber bleibt die fehlende Anerkennung der eigenen Lebensleistung. Früher war man die große Generation, die unser schönes Deutschland wieder aufgebaut hat. Heute aber haben die Babyboomer, die jetzt in die Rente gehen, angeblich alles falsch gemacht. Rentner erleben – glaubt man den Medien – auch andauernd Dinge, mit denen man wenig Ehre einlegen kann. Sie fallen auf bei Verkehrskontrollen, bei ihnen wird eingebrochen und vor allem sind sie so dumm, dass sie immer wieder auf Trickbetrüger reinfallen.
Besser wäre es, das Wieselwort „Rentner“ nicht so leichtfertig zu verwenden. Und den Jungen möchte ich dazu ins Stammbuch schreiben: Macht erst einmal nach, was wir geleistet haben. Aber Vorsicht, brecht Euch nicht den Hals dabei!
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