CSU ringt um verschärfte Abzocker-Regeln

von Redaktion

Am Parteitag gibt es plötzlich Ärger um Integrität und Transparenz – CSU-Spitze setzt sich durch

Augsburg – Die Halle ist schon zu vier Fünftel leer, wer die Delegierten sucht, findet sie in einer langen Schlange. Vor dem Essensstand draußen haben sich die Hungrigen aufgereiht, sie warten und warten auf die Eröffnung des Buffets. Sie werden lange da stehen, denn in der Parteitagshalle läuft gerade noch eine sehr energische und nicht leicht verdauliche Debatte. Knapp schrammt die CSU nämlich in diesen Minuten an großem Ärger vorbei.

Antrag K1 zur Änderung der Satzung wird am späteren Freitagabend beraten, ein Tagesordnungspunkt könnte kaum langweiliger klingen. Der Inhalt ist aber brisant. Die CSU will sich nach den Masken-Affären um zwei ihrer schwäbischen Abgeordneten Reformen und mehr Transparenz verordnen. Zur Erinnerung: Der Ex-CSUler Alfred Sauter (Landtag) und Georg Nüßlein (Bundestag) hatten Unsummen verdient, indem sie in der Not der ersten Pandemie-Wochen die Lieferung absurd teurer Masken an den Staat einfädelten und Provisionen abgriffen. Das Thema ist juristisch weitgehend folgenlos – die Justiz scheiterte, weil sich die beiden Parlamentarier formal nicht der Abgeordneten-Bestechlichkeit schuldig gemacht hatten. Sie dürfen das Geld behalten, die CSU dafür einen riesigen Image-Schaden.

Es geht also vor allem um die moralische Dimension. Die CSU will deshalb Sicherheitsnetze einbauen, um Mandatsträger zu verhindern, die die Politik nutzen, um Kasse zu machen. Die Satzung soll einen Verhaltenskodex auf allen Ebenen festschreiben. Wer für die CSU kandidiert, ob Gemeinderat oder Europaparlament, soll unterschreiben und eine Integritätserklärung abgeben.

Erarbeitet hat die Regeln eine Compliance-Kommission unter der Leitung des ehemaligen Justizministers Winfried Bausback. Intern gab es in den letzten Tagen kontroverse Debatten um einige Punkte, mancher fühlte sich von Bausback schlecht eingebunden. Der Streit drang nicht nach außen. Am Parteitag fliegt der CSU dieses Paket dann fast um die Ohren, ausgerechnet in Schwaben.

Überraschend melden sich Delegierte von der Basis zu Wort, darunter bekannte Vielredner, die mitunter die Stimmung im Saal aufheizen können. Sie beklagen ein Übermaß an Bürokratie, das werde „vor allem auf den Ehrenamtlichen abgeladen“. Beifall. Sie fordern: Thema absetzen, Antrag K1 vertagen.

Bausback reagiert ungewohnt verärgert. Er geht ans Mikro und droht mit Rücktritt. Stunde um Stunde habe er in diese Compliance-Regeln gesteckt. „Bitte, dann muss es ein anderer weiterführen“, sagt er trotzig. Den Parteigranden dämmert, dass da etwas aus dem Ruder läuft. Sollten die Journalisten nicht auch schon am Buffet Schlange stehen, drohen da hässliche Schlagzeilen. Mehrere Redner aus der Parteispitze eilen ans Mikrofon. „Dringend“ bittet Junge-Union-Chef Christian Doleschal, „auf die Signale zu achten“.

Die Stimmung dreht dann Erwin Huber (76), der frühere Parteichef. „Ich bin jetzt fast 60 Jahre in der Partei“, hebt er an, und warnt: „Das ist ein ganz kritischer Punkt.“ Hier drohe ein „ganz verheerendes Außenbild, liebe Freunde, das dürfen wir uns nicht leisten“. Hubers Wort hat noch Gewicht. Als es zur Abstimmung kommt, findet sich nur noch eine Handvoll Gegenstimmen. Unfall vermieden, und draußen wird dann endlich das Buffet eröffnet.  cd

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