Augsburg – Vielleicht verdutzt ihn dieses Geschenk, das er da in die Hand gedrückt bekommt. Es rutscht Friedrich Merz jedenfalls aus der Hand. „Net gleich wieder fallen lassen“, brummt Markus Söder von der Seite, und dann halten sie das Ding doch noch gemeinsam in die Kamera. Ein Fan-Schal, eingestickt CDU und CSU: Die beiden Parteichefs wollen damit ihre neue Verbundenheit zeigen. Damit es auch der Schwerfälligste kapiert.
Es ist die Botschaft, die von Tag zwei des CSU-Treffens in Augsburg ausgehen soll. Zusammenhalt, gemeinsam gegen die Ampel: klingt banal, war aber wahrlich nicht selbstverständlich letztes Jahr. Die CSU redet nicht mehr so gern darüber, das Laschet-Söder-Theater, die vergeigte Bundestagswahl. Merz erspart es der Basis nicht.
Er walzt das Thema sogar aus. Seine Rede in Augsburg beginnt zwar träge, schleppend, aber der Inhalt ist hart. Minutenlang erinnert er an die Wahlniederlage 2021, an den Streit. „Zerstrittene Parteien werden nicht gewählt“, doziert er. „Nicht weil die anderen so gut waren – sondern weil wir nicht mehr gut genug waren“, habe die Union das schlechteste Wahlergebnis der Geschichte eingefahren. Merz tut sich da leichter als Söder, weil er 2021 nicht im Amt war. Draußen vor der Halle sagt Merz einen noch fieseren Satz. Die Lehre aus 2021 sei „Nie wieder“ – eine Formel, die sonst dem Rückblick auf die finsterste Geschichte vorbehalten ist.
Merz’ Mahnung bleibt bei einigen Delegierten hängen, auch wenn der Beifall dafür karg ist. Er steigert sich allerdings, findet in seine Rede. Ihm gelingt das über Ampel-Attacken. „Respektlos“ agiere der Kanzler. „Lächerlich“, sei sein AKW-Machtwort, „wir machen uns auf der ganzen Welt lächerlich“. Da brandet Beifall auf. Vereinzelt Gejohle gar, als er dem grün geführten Wirtschaftsministerium Ahnungslosigkeit vorhält. „Nicht die Stunde der Ideologen ist jetzt, sondern der Ingenieure.“ Mitunter holzt er, wirft SPD-Gesundheitsminister Lauterbach in rüden Worten verfehlte Cannabis-Legalisierungs-Politik vor: „Was hat der Mann geraucht?“
Manches, was Merz über Scholz sagt, kann auch als Gruß an die CSU verstanden werden. Er kritisiert Politiker – vordergründig den Kanzler – dafür, sich nicht ernsthaft genug um die Bundeswehr zu kümmern, die Soldaten nicht zu besuchen, mit ihnen nicht zu reden. Aber gab es je solche Besuche von Söder, im Inland oder bei Auslandseinsätzen? „Wir müssen die Partei sein, die ohne Wenn und Aber zu unseren Soldaten steht“, sagt der CDU-Chef. Und er fordert andere Aussagen zur Ukraine. „Putin muss diesen Krieg verlieren. Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen. Daran darf es keinen Zweifel geben.“ Söder hatte am Vortag noch die Floskel wiederholt, Russland dürfe „nicht gewinnen“.
Merz ruft die deutsche Politik auf, sich um Kontakte zu Italien zu kümmern, trotz rechter Meloni-Regierung. Auch da Zwischentöne: Der CSU-Vorstand unter Söder hatte im Spätsommer noch schwer damit gehadert, dass sich Parteivize Manfred Weber im italienischen Wahlkampf rechts der Mitte stark gemacht hatte. Es heißt, Merz habe diese Aussage mit niemandem abgesprochen. Er spricht zudem die Migration kantiger an als Söder. Und die EU-Bürokratie viel kritischer als zuvor Weber, der gebeten hatte, nicht dauernd auf Brüssel zu schimpfen. Ach ja, und Merz spricht über seinen „guten Freund Wolfgang Schäuble“, eine Zuneigung, die in der CSU wenige teilen.
Alles kein Eklat, aber schon eine andere Linie. Noch konservativer als der entgrünte Söder. Der CDU-Chef bekommt dafür klar und lange Beifall. Die Delegierten stehen, wie schon am Vortag für Söder, manche nur höflich, doch viele auch begeistert.
Über den Schal witzeln derweil Scherzbolde, die verschlungenen Hände erinnerten an das SED-Logo. Merz nimmt das Geschenk ungerührt mit in seinen Dienst-Mercedes. Seine Vorgängerinnen ließen mal indigniert eine Torte auf dem CSU-Parteitag stehen oder bekamen statt einem Geschenk gleich nur noch einen digital eingeblendeten Blumenstrauß.
„Was raucht der Lauterbach?“