Peking – Es ist ein sehr spezieller Empfang, der Bundeskanzler Olaf Scholz am Flughafen von Peking bereitet wird. Menschen in weißen Schutzanzügen rollen den roten Teppich vor seiner Regierungsmaschine aus. Bis er ihn betreten kann, dauert es ein paar Minuten. Scholz muss für die Einreise nach China erst noch einen dritten PCR-Test machen – nach zweien im Abstand von 24 Stunden vor der Abreise.
Die Probe nimmt ein Arzt, der aus Deutschland mitgereist ist – allerdings unter chinesischer Aufsicht. Es gab bisher nur eine Kanzler-Reise, bei der das genauso ablief: Als Scholz im Februar den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Moskauer Kreml besuchte. Trotz negativen Tests unterhielten sich die beiden später an einem riesigen Tisch in sechs Meter Abstand.
In ähnlicher Entfernung nehmen Scholz und der chinesische Präsident Xi Jinping am Freitagvormittag in der Großen Halle des Volkes Platz. Kein Handschlag, nicht einmal ein Fäusteln, nur ein fester Blick.
Die Worte zum Auftakt sind höflich. Man werde über eine Weiterentwicklung der Wirtschaftsbeziehungen reden, aber auch Differenzen nicht aussparen, sagt Scholz. „Das ist das Ziel eines guten Austauschs.“ Xi Jinping plädiert dagegen dafür, Differenzen beiseite zu lassen. Er hoffe, dass der Besuch das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit vertiefe. Beide Seiten sollten die Grundsätze des gegenseitigen Respekts und der Suche nach Gemeinsamkeiten beachten.
Zum Mittagessen im Goldenen Saal gibt es Rindfleischstreifen in Senfsoße, Süßwassergarnelen und gebratenen Fisch süßsauer. An dem Ort, an dem Xi Jinping und Scholz speisen, hat der chinesische Staatschef erst vor zwei Wochen beim Parteitag der Kommunistischen Partei seine Macht zementiert. Eine ungewöhnliche dritte Amtszeit hat sich der 69-Jährige als Parteichef gesichert. Der Präsident ist so mächtig wie zuvor nur Mao Tsetung, der das Land allerdings ins Chaos stürzte.
Scholz ist der erste westliche Regierungschef, der dem Präsidenten seit dem Parteitag seine Aufwartung macht. Kritiker sehen das als Anbiederung an einen immer unheimlicher werdenden absoluten Herrscher. Scholz meint, dass man auch mit schwierigen Leuten reden muss, jedenfalls wenn sie so mächtig sind wie Xi Jinping.
Eine Pressekonferenz mit Xi Jinping gibt es nicht. Das ist protokollarisch auch nicht üblich. Aber auch mit dem auf dem Parteitag entmachteten Ministerpräsidenten Li Keqiang wird nur eine „Pressebegegnung“ angesetzt.
In seinem Statement vor den Journalisten macht der Kanzler dann aber ein paar Ansagen, die die Kritik an seiner Reise zumindest abfedern.
Er warnt China vor einer Invasion in Taiwan. Veränderungen des Status quos dürften „nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen“ erfolgen. Er weist darauf hin, dass Menschenrechte für Deutschland universelle Gültigkeit haben. Sie seien „keine Einmischung in innere Angelegenheiten“, wie die chinesische Regierung ihren Kritikern stets entgegenhält.
Die eigentliche Überraschung kommt aber von der chinesischen Seite. „Wir können uns keine weitere Eskalation leisten“, sagt Li Keqiang mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Zusammen mit Deutschland hoffe er auf ein baldiges Ende der Kampfhandlungen. Es müsse Friedensgespräche geben.
Scholz berichtet aus seinem Gespräch mit dem Präsidenten über noch weitergehende Bewegung. „Staatspräsident Xi und ich sind uns einig: Atomare Drohgebärden sind unverantwortlich und brandgefährlich.“ Das Außenministerium bestätigt wenig später: Xi Jinping habe in dem Gespräch gewarnt, dass der „Einsatz von nuklearen Waffen oder die Drohung damit abgelehnt“ werden müssten.
Das ist deutlich mehr, als die chinesische Führung bisher zu dem Thema von sich gegeben hat. Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine im Februar gab Peking dem russischen Präsidenten Wladimir Putin meist Rückendeckung und schob den USA und der Nato die Hauptverantwortung für den Konflikt zu.