Scholz’ China-Reise

Teilerfolg für den Kanzler

von Redaktion

SEBASTIAN HORSCH

Elf Stunden war Olaf Scholz in China. 23 Stunden saßen der Kanzler und seine namhafte Wirtschaftsdelegation dafür im Flugzeug. Und am Ende sieht es so aus, als hätte er in Peking tatsächlich etwas erreicht. Gemeinsam mit seinem Gast sendete China eine ungewöhnlich deutliche Warnung nach Moskau, es mit den atomaren Drohungen im Ukraine-Konflikt nicht zu übertreiben. Zudem will das Land den bisher dort nicht freigegebenen Corona-Impfstoff von Biontech zumindest für Ausländer zulassen. Für Scholz sind das zweifellos Erfolge.

Die Kritik an der China-Reise des Kanzlers war im Vorfeld enorm gewesen. International wurde der Kurz-Trip mit teils großer Skepsis beäugt – insbesondere natürlich in den USA. Selbst Scholz’ eigene Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte sich mit den Worten „Der Bundeskanzler hat den Zeitpunkt der Reise entschieden“ deutlich distanziert. Und die „Bild“ taufte den ihrer Meinung nach zu chinafreundlichen Kanzler direkt in „Schol-Tse“ um. Hatten all diese Unkenrufer also Unrecht, als sie kritisierten, dass Scholz als erster westlicher Politiker Xi Jinping nach dessen totaler Machtergreifung die Aufwartung macht?

So einfach ist es nicht. Der Zeitpunkt der Reise bleibt trotz der Erfolge problematisch. Zudem war vieles das übliche diplomatische Schauspiel. Die von Scholz floskelhaft vorgetragenen Hinweise auf die „universellen“ Menschenrechte wirkten schon beinahe wie ein Ritual. Hauptsache, er hat es irgendwie angesprochen. Den unterdrückten Uiguren wird das kaum weiterhelfen. Ähnliches gilt für die Taiwan-Frage. Dass der deutsche Bundeskanzler die größte Marine der Welt vor einem militärischen Schlag auf die Inselrepublik warnt, dürfte in Peking wohl niemandem schlaflose Nächte bereiten.

Klar ist: China ist mehr denn je ein systemischer Rivale für den gesamten Westen. Gleichzeitig ist vor allem die wirtschaftliche Bedeutung von Deutschlands wichtigstem Handelspartner schon heute so groß, dass gute Gesprächskanäle nach Peking unerlässlich sind. Die Bundesregierung steht damit vor einer enormen Herausforderung. Ihr muss die Gratwanderung gelingen, Chinas politisch nutzbaren Einfluss einerseits nicht zu groß werden zu lassen, und gleichzeitig den dabei entstehenden wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. Eine Aufgabe, die noch kniffliger werden könnte, wenn die USA angesichts wachsender Konflikte mit China eines Tages die Gretchenfrage stellen sollten, wem sich Berlin und Brüssel eigentlich mehr verpflichtet fühlen: Washington oder Peking? Dass Scholz nun zumindest einmal da war, ist bei der Bewältigung all dieser Stromschnellen – und trotz berechtigter Kritik – sicher kein Nachteil.

Sebastian.Horsch@ovb.net

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