Früher galt mal die alte CSU-Urformel: Mia san die Mehreren, mia san die Schwereren. Das ist lang her, ewig lang. Gegenentwürfe plattzusitzen, reicht längst nicht mehr. Die CSU hat sich auch unter dem Druck der gesellschaftlichen Veränderung in Bayern zu einer wendigen, beweglichen Partei entwickelt. Diese Woche wird ein ausgeprägtes Wendemanöver zu besichtigen sein: Die Koalitionsfraktionen legen ihren Entwurf für ein Radgesetz vor. Nicht, weil’s die CSU schon immer gewollt hätte – sondern weil sie den Druck des nahenden Rad-Volksbegehrens mit über 100 000 Unterstützern mindern will.
In kleinerem Umfang ist dies das Modell aus dem Artenschutz-Volksbegehren von 2019, das unter dem irreführenden, aber possierlichen Schlagwort „Bienen“ fast zwei Millionen Bayern mobilisierte. Bevor sie davon überrannt wurde, machte sich die CSU das Vorhaben zueigen. Kein Vorwurf, im Gegenteil – Stimmungen in der Mitte der Gesellschaft nicht zu erkennen und darauf nicht zu reagieren, wäre ein Fehler. Die CSU hat da aus der Debatte ums Polizeiaufgaben-Gesetz 2018 gelernt.
Nun darf man also eine Pro-Radl-CSU erleben. Sie hat dabei gute Argumente auf ihrer Seite und plant mehrere kluge Schritte. Spannend wird, ob die Begeisterung bei der Münchner CSU Schritt halten kann. In der Großstadt, wo Verkehrsflächen neu verteilt werden müssen, tritt die CSU vor allem als Sachwalter der Autofahrer und Parkplatzsucher auf. Das ist absolut legitim. Aber es wird unübersehbar Zielkonflikte mit dem Pro-Rad-Gesetz geben.
Christian.Deutschlaender@ovb.net