„Diese EU muss sterben“

von Redaktion

Die AfD kürt ihren Spitzenkandidaten für die Europawahl – im Zentrum steht aber ein anderer

Magdeburg – Einstecktuch, üppiger Seitenscheitel und ein Tonfall, den manche in der AfD gewinnend, andere ölig finden: Maximilian Krah, Spitzenkandidat für die Europawahl, ist auch in der eigenen Partei umstritten. Den Delegierten in Magdeburg ruft der 46-Jährige zu: „Wir sind ein Volk, weil, wenn wir unsere Familienalben zeigen, dann erkennen wir, dass schon unsere Großväter und unsere Urgroßväter ein Volk sind.“

Krah führt aus, wer aus seiner Sicht zum deutschen Volk gehört und wer nicht und erzählt Kalauer wie: „Es gibt, liebe Freunde, an deutschen Sonderschulen keine dummen Menschen, aber vergleichen Sie das einmal mit einem Grünen-Parteitag.“ Am Ende stimmen 65,7 Prozent der Anwesenden für ihn.

Am gleichen Ort hatte die AfD im November 2018 den damaligen Parteichef Jörg Meuthen zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gewählt – mit rund 90 Prozent. Viele hatten vor der jüngsten Versammlung hinter vorgehaltener Hand Bedenken gegen Krah geäußert, der als schillernde Figur gilt und etwa wegen seiner Nähe zu China kritisiert wird. Er selbst spricht von einer anonymen Schmutzkampagne.

So krawallig wie bei früheren Versammlungen geht es in Magdeburg nicht zu. Das mag auch daran liegen, dass diejenigen, die sich gegen den Kurs der rechtsnationalen Strömung stellen, die Partei inzwischen verlassen haben oder in die innere Emigration gegangen sind. Zur zweiten Gruppe zählen einige Mitglieder, die bei der Bundeswehr Karriere gemacht haben und jetzt mit dem russlandfreundlichen Kurs der AfD hadern.

Abgesehen von der Frage, ob Deutschland in EU und Nato bleiben sollte, gibt es in der AfD weniger internen Meinungsstreit als noch vor Jahren. Die Machtkämpfe zwischen verschiedenen Gruppierungen sind aber nicht beendet, wie die Kampfkandidaturen für mehrere der vorderen Listenplätze zeigen.

Der Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter, der als Gegenkandidat zu Krah gehandelt worden war, ist aber gar nicht erst vor Ort. Er galt eine Zeit lang als Hoffnungsträger jener, die nach der inneren Logik der AfD als „Gemäßigte“ gelten.

Dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstuft und mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet, quittieren die meisten Spitzenpolitiker der Partei mit einem Schulterzucken. Sie verweisen darauf, dass man sich juristisch zur Wehr setze. Fakt ist, dass die AfD mit ihrer Klage gegen die Einschätzung des Inlandsgeheimdienstes vor dem Kölner Verwaltungsgericht gescheitert ist. Über die Berufung ist noch nicht entschieden.

Den „Flügel“ um den Thüringer Landeschef Björn Höcke gibt es zwar formal nicht mehr. Die Ideologie lebt aber weiter und gewinnt weiter an Gewicht. Höcke wird bei seiner Ankunft im Saal am Samstag sofort von mehr als einem Dutzend Parteifreunden umringt. Mit der Arbeit der Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel sei er „sehr zufrieden“, sagt er bei „Phoenix“. Auch zu Europa äußert er sich. „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann“, sagt Höcke. Die „geordnete Auflösung“ der EU steht auch im Entwurf für das Wahlprogramm, allerdings gibt es einen Antrag auf Streichung. Wie sich die Delegierten entscheiden, ist offen.

Ähnlich übrigens wie das Wann. Wegen einer umständlichen Wahlordnung zieht sich die Kür der Listenkandidaten am Wochenende hin. Erst 15 der angestrebten 30 Kandidaten sind gewählt. Platz zwei hinter Krah belegt der Münchner Bundestagsabgeordnete Petr Bystron. Die Partei will am Freitag noch einmal für drei Tage in Magdeburg zusammenkommen.

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