Experten: Niger-Putsch wird Fluchtbewegung befeuern

von Redaktion

Route nach Libyen wohl bald wieder frei – EU und Frankreich frieren nach Militärputsch ihre Hilfszahlungen ein

Niamey – Der Militärputsch in Niger könnte schwerwiegende Folgen für die Strategie Europas zur Eindämmung der Migration über das Mittelmeer haben. Das sagte der Regionalbüroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing. „Ohne Niger wird die Strategie zusammenbrechen.“ Vorherige Vereinbarungen seien weitgehend wirkungslos, wenn die neue Militärjunta in Niger die Kooperation nicht fortsetze.

Am Mittwoch hatten Offiziere von General Omar Tchianis Eliteeinheit den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum festgesetzt und für entmachtet erklärt. Tchiani hat sich selbst zum neuen Machthaber ernannt. Kurz darauf setzten die Putschisten die Verfassung des westafrikanischen Landes außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf. Tchiani leite die Bildung einer neuen Regierung ein, hieß es vonseiten der Putschisten.

Niger ist eins der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten, die Richtung Europa reisen wollen. Seit seinem Amtsantritt im April 2021 war der prowestliche, reformorientierte und nun abgesetzte Bazoum ein wichtiger Verbündeter der EU. Die EU kooperiert mit Niger bereits seit 2015, vor allem um die kritische Migrationsroute von der Wüstenstadt Agadez nach Libyen zu blockieren.

Die nigrische Polizei wurde mithilfe der zivilen Aufbaumission EUCAP Sahel Niger besser ausgebildet. Zudem verabschiedete Niger ein Gesetz, das den Schmuggel von Migranten von Agadez durch den Sahel bis zur Grenze mit Libyen unter Strafe stellt. Seitdem seien die Migrantenzahlen gen Libyen zurückgegangen, so Laessing.

Als Reaktion auf den Putsch verkündete der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, die Budgethilfe für Niger werde sofort eingestellt und alle Maßnahmen der Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Allein für 2021 bis 2024 waren über ein Mehrjahresprogramm Unterstützungszahlungen in Höhe von mindestens 503 Millionen Euro vorgesehen. Wie viel schon abgeflossen ist, war zunächst unklar. Auch Frankreich hat seine Entwicklungs- und Finanzhilfen ausgesetzt – 120 Millionen Euro waren es 2022.

Am Sonntag versammelten sich daraufhin Tausende Menschen in Niamey vor der französischen Botschaft, viele schwenkten russische Fahnen. Französischen Medienberichten zufolge kam es teils zu Gewalt und zu Attacken auf die Botschaft.

Ob die Maßnahmen der EU Wirkung zeigen werden, sei zweifelhaft, so Laessing. „In Wahrheit sind die Europäer in einer eher schwachen Position. Sollte die Migrationsroute von den neuen Machthabern wieder geöffnet werden, wird Europa mit [den Putschisten] verhandeln müssen“, sagte der Experte.

Es steht allerdings auch eine militärische Eskalation im Raum. Nach dem Putsch drohen die Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) mit dem „Einsatz von Gewalt“. Nach einem Spitzentreffen in Nigerias Hauptstadt Abuja forderte die Ecowas die putschenden Militärs ultimativ auf, die Macht innerhalb einer Woche an die legitimen Institutionen zurückzugeben. mm/afp

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