Binnen 24 Stunden kamen 5000 Migranten in rund 100 Booten von Tunesien nach Lampedusa: Schwer vorstellbar, dass diese Massenflucht den tunesischen Behörden völlig entgangen sein sollte. Es sieht ganz danach aus, dass der autokratische tunesische Präsident Kais Saied hier den Druck auf die EU noch einmal erhöhen will, die versprochenen Gelder – bis zu 900 Millionen Euro – für den EU-Flüchtlingspakt rasch fließen zu lassen.
Denn bisher existiert nur eine vage Absichtserklärung, weder die EU-Zahlungen noch die tunesischen Gegenleistungen sind klar vereinbart. Schon gibt es Forderungen, etwa aus der FDP, den Flüchtlings-Deal platzen zu lassen, da Saied kein verlässlicher Partner sei.
Doch Ursula von der Leyen und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni haben keine andere Wahl, als weiter darauf zu setzen, dass Tunesien für die EU die schmutzige Arbeit übernimmt, die Flüchtlinge an der Überfahrt zu hindern. Der Flüchtlingspakt und Asylzentren außerhalb der EU sind die einzigen konkreten Ideen, die es in Brüssel gibt, die Fluchtbewegungen aus Afrika in den Griff zu bekommen. Die Hoffnung auf gerechte Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU darf getrost als gescheitert angesehen werden – wie der Streit zwischen Rom und Berlin um die freiwillige Übernahme von Flüchtlingen aus Italien einmal mehr zeigt.
Klaus.Rimpel@ovb.net