„Ein Massaker, sie richten ein Massaker an“

von Redaktion

VON CHRISTINA STORZ

Tel Aviv – Junge Menschen laufen um ihr Leben, hinein in die israelische Negev-Wüste, wohin auch immer – nur weg von den Hamas-Kämpfern, die auf dem Areal des „Supernova“-Festivals wahllos Menschen erschießen oder als Geiseln nehmen. Einige Besucher haben kurze Handy-Videos von der Massenpanik gedreht und gepostet, im Internet kursieren Kamerabilder von schwer bewaffneten Männern, die sich über Leichen beugen oder Menschen verschleppen.

Das Festival am Samstag in der Nähe des Kibbuz Reim, nicht weit entfernt vom Gazastreifen, sollte eine rauschende Party werden und endete als Blutbad. „Ich weiß nicht, ob meine Tochter irgendwo blutend liegt, ich weiß nicht, ob man sie nach Gaza verschleppt hat, ich weiß nicht, ob sie leidet“, sagt Ahuwa Maizel. Das letzte Mal, dass sie mit ihrer Tochter sprach, sei am Samstagmorgen um kurz nach 7 Uhr gewesen. Ihre Tochter Adi habe angerufen und gesagt: „Hier ist ein Massaker, sie richten ein Massaker an, hunderte Terroristen schießen um sich.“ Dann sei die Verbindung abgebrochen.

Sie gingen von Baum zu Baum und schossen

In Sozialen Netzwerken teilen Überlebende, wie sie den Überfall erlebt haben. Arik Nani versuchte stundenlang, sich in Sicherheit zu bringen. „Wir rannten zu den Feldern und hörten hinter uns ständiges Feuer, sahen Menschen rennen und fallen. Wir versteckten uns im Gebüsch, während Kugeln über unsere Köpfe flogen“, berichtet Nani, die diese Woche ihren 26. Geburtstag feiert. Sie werde ihn in Trauer, aber auch dankbar feiern. „Ich habe nicht gedacht, dass ich es schaffen würde.“ Sechs Stunden sei sie dehydriert und mit einer Verletzung an der Hand gerannt, bis sie eine Notunterkunft erreichte. Andere Augenzeugen berichten, wie sie mit Autos flüchten wollten und unter Beschuss gerieten. Auf Bildern sind in der Nähe des Festivalgeländes dutzende ausgebrannte Autos zu sehen. Andere versteckten sich in Büschen und Bäumen. „Sie gingen von Baum zu Baum und schossen. Ich sah, dass überall Menschen starben. Ich war sehr still. Ich habe nicht geweint, ich habe nichts getan“, sagte eine Überlebende der „BBC“. Aufnahmen von Kameras an geparkten Autos zeigen die letzten Minuten von verletzten Festivalbesuchern, wie sie von Mitgliedern der von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestuften Hamas erschossen werden.

Unklar ist noch immer das Schicksal von Shani Louk, die in Israel lebt, aber einen deutschen Pass hat (wir berichteten) und ebenfalls auf dem Rave-Festival in der Negev-Wüste war. Auf einem Video ist die 22-Jährige halb nackt auf einem Pick-up zwischen mehreren Hamas-Männern offenbar im Gazastreifen zu sehen, mit dem Gesicht zum Boden, die Beine verdreht, mindestens bewusstlos. Ein junger Palästinenser spuckt im Vorbeigehen auf ihren leblosen Körper.

Rettungsdienst spricht von bis zu 250 Toten

Ihre Mutter Ricarda Louk hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Sogar auf Deutsch bittet sie in einem Video um Informationen zu ihrer Tochter und Hilfe, um die deutschen Behörden mit ins Boot zu holen. Dass es sich um Shani Louk handelt in dem Video, da ist sie sich sicher – ihre auffälligen Tattoos an den Beinen und die Dreadlocks-Frisur ließen laut „Spiegel“ keinen Zweifel zu. Hinzu kommt, dass die Bankkarte der Tochter später in Gaza benutzt wurde.

Es gebe „vier oder fünf Lastwagen, die jeweils 50 Leichen“ von dem Festivalgelände in der Nähe des Gazastreifens abtransportierten, sagte der Sprecher des israelischen Rettungsdienstes Zaka, Moti Bukjin, am Montag. „Sie haben die Menschen kaltblütig auf unvorstellbare Weise abgeschlachtet.“ Etwas Vergleichbares, sagt er erschüttert, habe er in den 28 Jahren seiner Tätigkeit für die auf die Bergung von Leichen spezialisierte Organisation noch nicht gesehen.  (mit afp)

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