München/Berlin – Das Wichtigste vorneweg: Nancy Faeser bleibt Bundesinnenministerin. Olaf Scholz hält an seiner SPD-Parteifreundin fest. Der Bundeskanzler sei dazu „fest entschlossen“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit gestern.
Schon in der Vergangenheit hat Scholz gezeigt, dass er seine Ressortchefs nicht ohne schwerwiegende Gründe fallen lässt. Doch allein, dass er sich zu einem solchen Treueschwur genötigt sieht, zeigt, wie angeschlagen Faeser ist. Der Hauptgrund: Neben ihrem Ministerposten hatte die 53-Jährige in den vergangenen Monaten als Spitzenkandidatin Wahlkampf für ihre Hessen-SPD gemacht – und ist damit krachend gescheitert. Mit 15,1 Prozent fuhren die Sozialdemokraten am Sonntagabend ihr bisher schlechtestes Ergebnis in Hessen ein. Die Spitzenkandidatin war dabei selbst in ihrem eigenen Wahlkreis chancenlos. Trotz ihres enormen Prominenzbonus landete sie nur auf Platz drei – hinter Christian Heinz (CDU) und Gianina Zimmermann (Grüne). Faeser selbst glaubt allerdings, ihre Doppelrolle sei dabei eher ein Nachteil gewesen, weil ihr Ministeramt „viel an Polarisierung und Gegenwind mit sich gebracht“ habe.
Nun ist die Wahl gelaufen und Faeser bald zurück in Berlin. Zwar hatte sie von Anfang an klagemacht, dass sie nur im Falle eines Wahlsieges als künftige hessische Ministerpräsidentin ihr Amt in der Bundesregierung niederlegen wolle. Doch in die EU-Verhandlungen zur Migrationspolitik geht sie nun geschwächt. Und angesichts der Heftigkeit dieser Wahlklatsche mehren sich selbst in ihrer eigenen Partei die ersten Zweifel, ob ihr Festhalten eine so gute Idee ist – wenn auch vorerst nur anonym. „Nancy Faeser würde sich einen Gefallen tun, wenn sie versucht, Ministerin in Hessen zu werden“, sagte ein SPD-Bundestagsabgeordneter zu „t-online“. Auch die „FAZ“ zitiert ein Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, dass die Frage im Raum sieht, ob es nun „wie bei Christine“ werde. Gemeint ist Christine Lambrecht, die als SPD-Verteidigungsministerin so lange Pleite an Panne reihte, bis ihr Abschied unumgänglich wurde.
Was Faeser wohl vorerst schützt, ist das Paritätsversprechen des Kanzlers. Da das Geschlechtergleichgewicht im Kabinett schon mit der Berufung von Boris Pistorius (SPD) als Lambrecht-Nachfolger gelitten hat, käme für Faesers Nachfolge wohl nur eine Frau infrage. hor