Bidens erster und letzter offizieller Besuch

von Redaktion

US-Präsident zu Gast in Berlin – Wie sich das deutsch-amerikanische Verhältnis jetzt ändert

Ein Treffen unter Freunden: US-Präsident Biden (r.) besucht Kanzler Scholz in Berlin. © Marin/dpa

München – Bei dem letzten Vieraugen-Gespräch im Februar saßen die beiden Staatsmänner im prunkvollen Oval Office in Washington. Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war es fast schon Routine, der dritte Besuch im Weißen Haus. Seither hat sich für US-Präsident Joe Biden aber viel geändert. Anders als erwartet und geplant, ist er nicht mehr Präsidentschaftskandidat der Demokraten. Statt Wahlkampf im eigenen Land zu betreiben, hat er jetzt Zeit, seinen ersten bilateralen Besuch und gleichzeitig Abschieds-Besuch in Berlin zu absolvieren.

Es ist zwar eine abgespeckte Version des für letzte Woche geplanten Besuchs, aber nicht mit weniger Tamtam. Das Regierungsviertel in Berlin wird seit heute früh abgeriegelt. Vielleicht reisen sogar Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer an. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begrüßt Biden mit militärischen Ehren und zeichnet ihn mit der höchsten deutschen Ehrung aus – der Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens. Für seine transatlantischen Bemühungen.

Und dann wird sich natürlich Kanzler Scholz Zeit für den hohen US-Gast nehmen, inklusive Bildern, die die gute Beziehung belegen. „Das Treffen trägt für beide Seiten zum Ansehen bei, und beide stärken sich damit auch ein bisschen gegenseitig den Rücken“, sagt USA-Experte Johannes Thimm von der Stiftung Wissenschaft und Politik unserer Zeitung. „Für Scholz ist es gerade innenpolitisch nicht einfach, und Biden kann sich als verlässlicher Staatsmann, der gut mit den europäischen Verbündeten kann, inszenieren.“

Gerade die gemeinsame Unterstützung der Ukraine hat die USA und Deutschland in den vergangenen Jahren zusammengeschweißt – sei es bei Waffenlieferungen oder dem Gefangenenaustausch, bei dem Deutschland sogar einwilligte, den in Berlin verhafteten „Tiergarten-Mörder“ nach Russland ausreisen zu lassen. Über die Zukunft der Hilfen wird die US-Wahl am 5. November entscheiden. Der Republikaner Donald Trump hatte gedroht, sie zu stoppen. Die Demokratin Kamala Harris will Bidens Kurs weiterführen.

Doch diese enge deutsch-amerikanische Verbundenheit wird es in keinem Fall geben. Denn „während Biden im Kalten Krieg sozialisiert wurde und die Partnerschaft zu Europa im Blut hat, hat Harris ein weniger emotionales Verhältnis zu Europa“, erklärt Thimm. Etwa wie zu Zeiten des Ex-Präsidenten Barack Obama. Und „Trump geht es mit seinem America-First-Kurs nur um Eigeninteressen und er versteht die Relevanz von Bündnissen und Verbündeten nicht“, sagt Thimm. Biden wird schon als der letzte Transatlantiker in diesem Amt gehandelt.

Die Regierung in Berlin muss sich in jedem Fall auf eine Veränderung einstellen. „Die Forderung, dass sich Deutschland stärker sowohl politisch als auch militärisch engagiert, wird erneut aufkommen“, prognostiziert Thimm. „Denn die USA werden ein Stück weit nicht mehr in der Lage sein, die Rolle einzunehmen, die sie bis jetzt gespielt haben.“

Für Biden geht es also auch um sein politisches Vermächtnis. Einen besonderen Platz in Deutschland hat er aber ohnehin: Vor ihm hat nur ein US-Präsident den Sonder-Orden erhalten und das war 1993 George H. W. Bush.
LEONIE HUDELMAIER

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