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Merz riskiert: Werden die Wähler es belohnen?

von Redaktion

Heute Entscheidung im Bundestag

Die alten Griechen erfanden das Wort Kairos. Es beschreibt den günstigen Moment. Die Chance, die ergriffen werden muss, jetzt oder nie. Friedrich Merz hat sie zu erkennen geglaubt: Als das Land nach dem Terror von Aschaffenburg unter Schock stand, ging der bis dahin blass gebliebene Oppositionsführer volles Risiko, rief die Zeitenwende in der Sicherheitspolitik aus und drängte SPD und Grüne gleichermaßen in die Defensive wie die bis dahin so angriffslustige AfD. Die Rechtspopulisten hatten sich nach der Bluttat eines Asylbewerbers schon als Wahlsieger gesehen. Doch das war womöglich ein Irrtum.

Heute und am Freitag kommt es im Bundestag zur Entscheidung. Ob die Merz-Anträge eine Mehrheit finden, ist nicht wichtig: CDU und CSU haben ihren Anspruch, das Land zu führen, deutlich und die Bundestagswahl zum Referendum über die Zeitenwende in der Sicherheitspolitik gemacht und der AfD so eine gefährliche Waffe entwunden. Der Ärger darüber steht Alice Weidel ins Gesicht geschrieben. Das Wort haben nun die Bürger. Am 23. Februar muss sich zeigen, ob sich Merz‘ Wagemut auszahlt – und was die Deutschen mehr mobilisiert: der Wunsch nach Veränderung in der Asylpolitik. Oder die Warnung von Grünen und SPD vor einem, wie SPD-General Matthias Miersch es formuliert, „beispiellosen Tabubruch“ durch die Inkaufnahme von Zustimmung durch die AfD. Das ist das letzte Argument der politischen Linken; der Kanzler wird es in seiner Regierungserklärung heute in die Köpfe seiner verbliebenen Wähler hämmern, so wie es schon die Veranstalter der jüngsten „Demos gegen Rechts“ (gemeint war Merz) versucht haben. Ein Autor einer bekannten Zeitung rief den verhassten CDU-Chef gleich zum „Führer“ aus.

Erpressung werfen Grüne und SPD der Union vor. Doch haben sie selbst, als sie noch über die Mehrheit verfügten, es nicht anders gemacht. Keinen Millimeter weiter als nötig ging die Ampel auf die Union zu, die eine Asylwende forderte. Mehr als Scheingespräche hatte der Kanzler dem Oppositionsführer drei Jahre lang nicht anzubieten. Daran hat sich bis heute nichts Grundlegendes geändert: Noch nach Aschaffenburg haben die Grünen den leichteren Familiennachzug in ihr Parteiprogramm geschrieben. Auch wenn man aus humanitärer Sicht dafür Sympathie haben kann: Es passt einfach nicht mehr in die Debattenlage.

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