Schön schick: Die Maschinen, mit denen die Kanzler in der Welt herumfliegen, sind fliegende Büros. Hier Scholz, damals noch Finanzminister, im alten A 340. © Bernd von Jutrczenka
München – Das Schicksal des alten Konrad Adenauer ist seit gut einem Jahr besiegelt, jetzt wird er im spanischen Nirgendwo gnadenlos ausgeweidet. Der Airbus A 340, mit dem einst Angela Merkel zehntausende Kilometer um die Welt flog, steht seit einigen Tagen dort, wo viele Maschinen enden: auf dem Flugzeugfriedhof in Teruel, 220 Kilometer östlich von Madrid. Defekte und Pannen machten das nötig. Immerhin: Einzelne Komponenten sollen wiederverwendet werden. Das ist doch auch was.
Olaf Scholz (SPD) ist längst mit dem Nachfolger unterwegs, einem angeblich wesentlich effizienteren A 350 mit VIP-Ausstattung. Und der Kanzler macht rege Gebrauch vom neuen Konrad Adenauer. Zwischen Amtsantritt im Dezember 2021 und Ende letzten Jahres nutzte das Kanzleramt die Flugbereitschaft für genau 611 dienstliche Flüge, wie aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine kleine Anfrage der BSW-Politikerin Sevim Dagdelen hervorgeht. Es folgen das Auswärtige Amt (363 Flüge), das Verteidigungsministerium (168) und das Innenministerium (155). Insgesamt nutzte die Regierung die Flugbereitschaft der Bundeswehr in drei Jahren 1822 Mal für In- und Auslandsflüge.
15 Flieger verschiedener Größen und Ausstattungen, außerdem zwei Hubschrauber stehen der Regierung zur Verfügung. Da die Flugbereitschaft in Köln stationiert ist, der Kanzler und seine Minister aber meist von Berlin aus fliegen, fielen in den drei Jahren zusätzlich 1807 Leerflüge an. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums nutzt man die kurze Strecke mitunter zu Ausbildungszwecken. Die Umweltbilanz ist, nun ja, wie sie eben ist: Gut 32 000 Tonnen CO2 wurden insgesamt ausgestoßen.
Die BSW-Bundestagsabgeordnete Dagdelen, die die Anfrage regelmäßig stellt, kommt auch diesmal zum harten Urteil „Doppelmoral“. SPD und Grüne predigten den Bürgern Verzicht, „während ihre Minister auf Kosten der Steuerzahler sowie zu Lasten der Umwelt die Flugbereitschaft für bequeme Dienstreisen mit teuren Leerflügen in Anspruch nehmen“. Ein Teil des Vorwurfs: Das Kabinett nutze kaum Linienflüge, obwohl die weit günstiger und emissionsärmer wären. Die Regierung kontert, man prüfe vor jeder Reise sehr wohl Alternativen per Linie oder Zug. Oft seien die Termine im In- und Ausland aber so eng getaktet, dass die Flugbereitschaft quasi zwingend sei.
Ein wenig absurd wird es bisweilen aber doch, zum Beispiel während der Fußball-EM im vergangenen Juni. Sechs Mal nutzten der Kanzler und einzelne Minister die Flugbereitschaft, um sich zu Spielen der Nationalelf fliegen zu lassen. Kosten insgesamt: über eine halbe Million Euro. Die teuerste Reise (von Berlin nach Stuttgart und zurück) kostete exakt 114 487,41 Euro. Immerhin ließ Scholz ein paar Kabinettskollegen mitfliegen – und Deutschland gewann mit 2:0.
Positiv könnte man bemerken, dass die Regierungsmaschinen in allerjüngster Zeit ohne größere Pannen unterwegs waren. Das war schon mal anders. Kleine Auswahl: Der frühere Entwicklungsminister Gerd Müller strandete 2019 mit einem kleineren Regierungsflieger im südostafrikanischen Malawi. Den ausgemusterten Großflieger Konrad Adenauer verließen gleich mehrfach die Kräfte. Ende 2018 ließ er Ex-Kanzlerin Merkel hängen, die dann erst mit Verspätung zum G20-Gipfel in Buenos Aires anreiste. Knapp fünf Jahre später brach Außenministerin Baerbock den Australien-Flug ab, nachdem die Maschine zwei Mal wegen technischer Probleme an den Tragflächen muckte.
Aber auch mit den Nachfolgern läuft nicht immer alles glatt. Wirtschaftsminister Robert Habeck fehlte bei der ersten Kabinettssitzung nach dem Ampel-Bruch, weil dem gerade fünf Monate alten A 350 kurz vor dem Start in Lissabon eine Sicherung herausgesprungen war. Name des Fliegers übrigens: Kurt Schumacher.
MIT DPA