Dorothee Bärs Weg in die erste Reihe

von Redaktion

Die Reihen des Bundestags kennt Dorothee Bär seit Jahren. Jetzt könnte sie auf der Regierungsbank Platz nehmen. © pa

Berlin – In diesen vier Wänden steckt viel Mühe. Mühe, einem Prototyp-Büro im Bundestag eine persönliche Note zu verleihen. Poster und Schriftzüge in Rosa, Gold, Schwarz, Pink. Sessel mit altrosa Samtbezug, pinke Kunstblumen, weißer Plüsch. Figürchen im Regal. Viel Pink. Mit dem Erste-Reihe-Spree-Blick wirkt das Büro von Dorothee Bär wie ihr persönlicher Wohlfühlort im Wirbel der Hauptstadt.

Und gerade ist der Terminkalender der CSU-Politikerin besonders vollgepackt: Heimkommen irgendwann nach Mitternacht, aufstehen mit dem Frühstücksfernsehen gegen sechs Uhr. Die Tage sind durchgetaktet – mit unterschiedlichen Verhandlungen an drei Standorten. Die Zeit drängt, schließlich soll die Koalition bis Ostern stehen. Als Ausgleich „versuche ich zwischen den Sitzungen wirklich immer zu Fuß zu gehen“, sagt Bär beim Gespräch in ihrem Berliner Büro. Da nimmt sie auch mal eine Stunde Fußmarsch zum Konrad-Adenauer-Haus in Kauf.

Bei Bär läuft‘s. Ihren unterfränkischen Wahlkreis Bad Kissingen gewinnt sie (ohne AfD-Gegenkandidaten) mit 50,5 Prozent, wird zur „Erststimmenkönigin“ gekürt. Sie verhandelt in der 19-köpfigen Steuerungsgruppe Schwarz-Rot mit. Kommt es, wie viele spekulieren, wird sie bald Ministerin. Womöglich Forschungsministerin, ein Haus mit Milliardenetat.

Fast wie ein Appell hängt neben ihrer Bürotür ein Bild, auf dem in Pink „Heimat“ prangt. Darunter ist wie beim „Tatort“-Logo ein Fadenkreuz abgebildet – natürlich in Pink. Die Heimat im Fokus, Bayern stets im Blick. Denn Dorothee Bär, 46, steht seit fast 23 Jahren mit einem Bein in Berlin.

2002 zieht Bär zusammen mit Alexander Dobrindt in den Bundestag – für die 24-jährige Studentin auf Listenplatz 28 mehr als überraschend. Gemeinsam wachsen sie in der Partei. „Wir haben das gleiche Arbeitsethos“, sagt Bär. Er wird 2009 CSU-Generalsekretär, sie seine Stellvertreterin. Heute ist er CSU-Landesgruppen-Chef, sie Vize-Parteivorsitzende.

Es sind mehr die Unions-Zugpferde in Berlin als die CSU-Parteibasis, bei denen Bär punktet. Als CSU-Vize fährt sie regelmäßig ein schlechtes Wahlergebnis auf Parteitagen ein, 2023 mit 75 Prozent. Dafür pflegt sie mit dem wohl künftigen CDU-Kanzler Friedrich Merz eine recht gute Beziehung. Es gibt sogar aktuelle Fotos, wie Merz in einer Verhandlungspause als Fotograf herhält und ein Bild von ihr in der Sonne knipst.

Doch nach all dieser Zeit „ist es als Frau in der Politik immer noch eine andere Herausforderung“, sagt Bär. „Es wird an einer Frau immer Kritik in irgendeiner Form geben, die nicht inhaltlich ist – egal wie lange man dabei ist.“ Es ist nicht die Zahl der Frauen in der Union oder im Bundestag, die Bär besorgt. „Letztes Jahr ist die Quote der Bürgermeisterinnen und Landrätinnen auf neun Prozent gesunken“, sagt Bär. „Das finde ich viel schlimmer – dort wird die Politik für die Menschen vor Ort gemacht.“ Bär weiß mit drei Kindern selbst, wie ein Leben zwischen Politik und Familie ist. Ehrlich erzählt sie über diesen Spagat, wirkt dabei nahbar.

Aktuell verhandelt Bär als einzige CSU-Frau mit. Inhaltlich will sie nur so viel verraten: „Die Verhandlungen laufen besser, als es von außen aussieht.“ In ihrer Zeit als Staatsministerin für Digitalisierung – einem Amt ohne eigenes Ressort, angewiesen auf Zusammenarbeit mit anderen Häusern – hat sie vor allem gelernt: „Wenn man eine ungefähre Vorstellung hat, wie lange es dauert, bis etwas aufgebaut ist, muss man leider immer noch ein zusätzliches Jahr dranhängen.“ Neue Strukturen brauchen also Zeit. „Wir haben leider Gottes ein sehr komplexes, bürokratisches System in Deutschland“, sagt Bär, und „deshalb ist allen in den jetzigen Verhandlungen bewusst, wie zentral Bürokratieabbau ist.“

In ihrem damaligen Posten hat Bär oft Kritik geerntet, wird von der Piraten-Partei als „Problem-Bär“ verspottet. „Für diese Stelle gab es keinen Unterbau“, sagt Bär heute. „Ich habe mit zwei Mitarbeitern angefangen, nach vier Jahren gab es einen minimalen Aufwuchs – und trotzdem ist man immer mit der Arbeit eines vollwertigen Ministeriums verglichen worden.“ Kommt es, wie Beobachter prophezeien, bekommt sie diesmal ein echtes Ministerium. Die große Auswahl haben dabei aber die wenigsten.

Artikel 1 von 11