Das letzte Kommando: Litauens Verteidigungsministerin Dovilė Šakalienė (l.) ist zurückgetreten. © Riabovas/Imago
Vilnius – Das kleine Litauen steht an der Nato-Ostflanke im Fokus: Belarus und die russische Exklave Kaliningrad sind nah – deshalb baut Deutschland auch eine Panzerbrigade im Land auf. Doch in der Hauptstadt Vilnius gibt es ausgerechnet jetzt, Wochen nach einem buchstäblich explosiven Drohnenfund, Turbulenzen: Verteidigungsministerin Dovilė Šakalienė gab gestern ihren Rücktritt bekannt. Anlass ist ein Streit über das Verteidigungsbudget.
Das könnte auf den ersten Blick überraschen: Denn gemessen an der Größe des Landes ist Litauen einer der entschlossensten Unterstützer der Ukraine – und geht bei der Verteidigung außergewöhnlich beherzt vor. Schon vor Monaten fasste Vilnius Ausgaben von fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes ins Auge. Sogar 5,38 Prozent sollten es 2026 werden. Doch die scharf rechte und als russlandfreundlich geltende Koalitions-Partei Nemuno Ausra (NA) rüttelte zuletzt daran.
Die NA ist seit 2024 Teil der sozialdemokratisch geführten Regierung und ist es auch nach einer größeren Rochade im Sommer geblieben. Dagegen protestiert seit Wochen ein Bündnis unter Führung der litauischen Kulturschaffenden. NA-Chef Remigijus Žemaitaitis steht wegen antisemitischer Äußerungen vor Gericht. Zuletzt machte er aber auch mit Äußerungen zum Thema Verteidigung Schlagzeilen: Er forderte, den Wiederaufbau einer eigenen litauischen Militärdivision zu verschieben – und die Verteidigungsausgaben für 2026 auf maximal 5 Prozent zu drücken.
Führende Köpfe der Sozialdemokraten betonten zwar, Žemaitaitis habe eine Privatmeinung geäußert. Der NA-Chef selbst ist nicht Teil des Kabinetts. In der vergangenen Woche schlugen aber auch Kommentatoren Alarm: Der Politikanalyst Marius Laurinavičius etwa schrieb auf Facebook von einer „Kreml-Regierung“ in Litauen, es drohe „Sabotage“; das sozialdemokratisch geführte Finanzministerium plane im Budget 2026 mit Ausgaben unter der 5-Prozent-Schwelle. Blogger äußerten sich ähnlich, bis 2029 könnten versprochene rund zwei Milliarden Euro für die Verteidigung wegfallen, hieß es. Den Warnungen vorausgegangen war Berichten zufolge eine Art Medienbriefing im Verteidigungsressort.
Ministerin Šakalienė erklärte, sie habe einen solchen Termin nicht organisiert, verurteilte die Maßnahme aber auch nicht. Prompt sah die neue Regierungschefin Inga Ruginienė das Vertrauen zu ihr „erschüttert“ – woraufhin Šakalienė im Parlament erklärte, unter diesen Vorzeichen sei keine Zusammenarbeit mehr möglich. Gestern besiegelte sie nun den Schritt.
Litauen muss nun eine Regierungskrise bewältigen. Zumal der Druck der Protestierenden auf die NA wächst – das Kulturbündnis hat einen „Protestmonat“ ausgerufen. Durchaus pikant scheinen da die jüngsten Eklats um NA: Der schon nach wenigen Tagen im Amt zurückgetretene Kulturminister Ignotas Adomavicius hatte Anfang des Monats in einem TV-Interview Fragen nach dem Status der Krim und einem „Sieg“ der Ukraine als „provokant“ zurückgewiesen – und offenbar auch kurzzeitig die ukrainische Flagge aus dem Presseraum des Ressorts entfernen lassen.
Kritiker der NA sehen die Partei als verlängerten Arm Putins: Im März warnte der damalige Parlamentspräsident Saulius Skvernelis in einer geheimen Aussprache vor einer „fünften Kolonne“ im eigenen Haus. Gemeint war offenbar die NA.