Freispruch vom Vorwurf des Drogenhandels trotz glaubwürdigen Zeugen

von Redaktion

Schöffengericht Rosenheim Belastende Aussage des Haupttäters reicht für eine Verurteilung nicht aus

Samerberg/Rosenheim – Eine Cannabiszuchtanlage am Samerberg verschaffte einem Landwirt einen netten Nebenerwerb – bis im Januar 2021 die Kriminalbeamten des K4 auf die Plantage aufmerksam wurden. Über 60 Kilogramm Pflanzenmaterial stellte die Polizei sicher. Der Landwirt war umfassend geständig und benannte dazu noch seine Kunden, die sich nun nacheinander vor dem Schöffengericht Rosenheim zu verantworten haben.

Allerdings ist dies ein zweischneidiges Schwert. Weil die Kronzeugenregelung Beschuldigten etliche Vorteile verschafft, gibt es immer wieder Belastungszeugen, die lediglich darauf spekulieren und die eigene Bestrafung mildern wollen. Nicht selten werden dabei erfahrungsgemäß Unschuldige belastet. Dies zwingt die Staatsanwaltschaft dazu, neben dieser Aussage weitere Beweise gegen den jeweils Bezichtigten zu suchen.

Ein 36-jähriger Mann war aufgrund der Aussage des Landwirts nun ebenfalls vor Gericht. Etwa sechs Kilogramm hatte er angeblich von diesem im Laufe der zurückliegenden fünf Jahre erworben.

Bei solchen Mengen unterstellt die Staatsanwaltschaft, dass der Beschuldigte mit den Drogen auch Handel getrieben habe. So lautete nun die Anklage auf Besitz von und Handeltreiben mit illegalen Drogen.

Vertreten durch seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Peter Weizdörfer, machte der 36-Jährige keinerlei Angaben zu den Vorwürfen. Der Anwalt war von Anfang an bemüht, die belastenden Angaben durch den Drogenanbauer zu entkräften, wollte gar dem Schöffengericht vorschreiben, welche Zeugen es zu hören beziehungsweise nicht zu hören habe. Nachdem das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richterin Melanie Bartschat dem nicht entsprach, versuchte er zweimal, per Befangenheitsantrag die Vorsitzende abzulehnen. Der darüber befindende Richter wies dies zurück.

An drei Sitzungstagen stellte sich heraus, dass drei andere „Kunden“ zwar umfassend geständig waren, diese aber nichts voneinander wussten. Der Landwirt hatte seine Abnehmer immer getrennt mit der Droge versorgt.

Der ermittelnde Beamte der Kripo Rosenheim musste eingestehen, dass bei der Wohnungsdurchsuchung des Angeklagten kein belastendes Material gefunden wurde. Zwar war der Mann bereits dreimal wegen verbotener Betäubungsmittel verurteilt worden. Im aktuellen Fall sprach einzig die Aussage des Haupttäters gegen ihn.

In seinem Schlussvortrag erklärte der Staatsanwalt, dass die Aussage dieses Zeugen durchaus glaubhaft sei, weil zum einen bei allen anderen Beschuldigten dessen Hinweise zugetroffen hatten und zum anderen der Angeklagte kein unbeschriebenes Blatt sei, immerhin sei er bereits dreimal einschlägig verurteilt worden.

Der Verteidiger verwies darauf, dass es neben der Aussage des Belastungszeugen keinerlei Beweise gegen seinen Mandanten gäbe, dieser seine Beschuldigung wegen der Kronzeugenregelung durchaus zum eigenen Vorteil getätigt habe. Er beantragte, seinen Mandanten freizusprechen.

Das Schöffengericht sprach aus diesem Grunde den Angeklagten frei. Es fehle eben an weiteren Beweisen gegen den 36-Jährigen. Er wurde auch umgehend aus der Untersuchungshaft entlassen.

Die Staatsanwaltschaft, die den Belastungszeugen nach wie vor für glaubwürdig hält, hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Theo Auer

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