Großkarolinenfeld – 4630 Kilometer, 47750 Höhenmeter und 201 Stunden Fahrzeit – das ist die Sommer-Reise von Markus Vielberth (44) in Zahlen. In seiner Heimat Tattenhausen ist er mit dem Mountainbike gestartet, bis an die Stiefelspitze Italiens geradelt und zurück. Eine Geschichte über Gänsehauterlebnisse, Schwierigkeiten und Rituale.
Start in Tattenhausen: Eigentlich wollte sich Markus Vielberth noch in Ruhe von seiner Frau Daniela verabschieden. Doch sein Freund Gerhard Streng steht bereits vor der Tür, er begleitet ihn bis nach Rom. Eine Reise, die sich Vielberth 15 Jahre gewünscht hat, beginnt. „Es ging alles so schnell, plötzlich waren wir auf dem Inndamm“, sagt er.
Die Genialität der Apuanischen Alpen
Die beiden fahren den Inn entlang nach Kufstein, über den Brenner, nach Bozen. Sie lassen den Gardasee hinter sich, kreuzen Mantua und machen einen Tag Pause in Cinque Terre – ein Höhepunkt mit den bunten Häusern und den Wegen entlang der Steilküste.
Die Route haben die Freunde nach eigenen Angaben zwar geplant, aber auch spontan entschieden. Die Apuanischen Alpen hätten sich die beiden nicht entgehen lassen können. „Die Berge haben genial ausgesehen“, sagt Vielberth. Auch den höchsten Berg in der Toskana, den Monte Amiata, haben sie befahren.
Dann ging es am Lago di Bolsena und Lago di Vico vorbei bis nach Rom, am Tiber entlang, die hohen Mauern an den Seiten. Sie hätten gar nicht mitbekommen, dass sie bereits mitten in der italienischen Hauptstadt waren. Plötzlich seien sie vor dem Kolosseum gestanden.
„Das war ein Gänsehauterlebnis“, sagt Vielberth. An einer Ampel habe sie ein Italiener angesprochen, woher sie kommen. Selbst als das Licht grün wurde, sei der Fahrer stehengeblieben und habe munter geratscht. „Typisch italienisch, wir haben uns gleich willkommen gefühlt.“ In Rom hätten sie alle Sehenswürdigkeiten besichtigt – natürlich mit dem Rad. Sein „Spezl Gerhard“, wie Vielberth ihn nennt, ist dann mit dem Bus nach Hause gefahren.
Allein hat sich Vielberth „einfach treiben lassen“ – bis zu einem „Schlüsselmoment“. Die Radfahrer hatten die Hotels immer erst vor Ort gebucht. Drei Nächte nach der Abfahrt seines Freundes habe Vielberth damit das erste Mal ein Problem gehabt. Ein kleiner Ort habe sich an den nächsten gereiht, nirgends habe es eine Unterkunft gegeben. Statt wie normalerweise um 17 oder 18 Uhr habe er erst um 20 Uhr einen Schlafplatz gefunden. Danach hat er immer im Voraus gebucht. „So spät anzukommen, zermürbt einen“, sagt Vielberth. Denn jeden Abend musste er seine Kleidung waschen. Er hatte nur wenig Gepäck dabei: eine Lenkertasche mit drei Kilogramm und einen Rucksack mit neun Kilogramm. Jeden Morgen hieß es: Tasche packen, frühstücken und gegen halb 10 Uhr losfahren. Mittags dann Pause in einem schönen Lokal.
Er habe viele typische Gassen, unzählige Sonnenuntergänge und die italienische Gastfreundschaft erlebt. In einem Lokal habe ihn der zwölfjährige Sohn der Besitzerin auf Englisch bedient und so beraten, als wäre er selbst der Chef – inklusive Weinempfehlung.
Doch nicht alle Begegnungen waren erfreulich. Als sich der Großkarolinenfelder einer Schafherde genähert hat, habe ihn eine Gruppe Hütehunde eingekreist. „Ich bin dann vollgas in die Pedale getreten“, sagt er. Ein Hundebiss in der Wade sei schließlich nicht optimal bei einer Radreise.
Nach diesem Erlebnis hatte er jedoch „den schönsten Tag der kompletten Tour“. Auf der Strecke von Polignano a Mare nach Ostuni sei alles dabei gewesen: Meer, besondere Orte und alte Städte. Deshalb habe ihn sein Endpunkt, Santa Maria di Leuca, etwas enttäuscht. Er sei nicht so besonders gewesen wie die Orte zuvor.
Große Gefühle
am Irschenberg
Doch das hielt ihn nicht davon ab, seine Tour fortzusetzen, anstatt wie geplant den Zug zurückzunehmen. „Ich habe von Anfang an gewusst, dass er nicht mit dem Zug heimfährt. Er sitzt lieber eine Woche auf dem Rad“, sagt sein Freund. Also ging es zurück, mit einem Abstecher über Sardinien, Korsika, wieder nach Italien, Österreich und Deutschland. „Es war ein emotionaler Moment, als ich den Irschenberg runtergefahren bin“, erinnert sich Vielberth. Der Blick auf den Wendelstein – zurück zu Hause.