Schloßberg – Skater sind eher für Tricks auf dem Board bekannt, als für handwerkliche Fähigkeiten. Moritz Bacher (35) vereint beides. Er fertigt Produkte aus kaputten Skateboards. Bei einem Besuch in seiner Werkstatt am Schloßberg verrät Bacher, wie es dazu kam und welche gewagten Anfragen er teils bekommt.
Moritz Bacher nimmt die Treppe in den Keller. Rechts ein Heizungskessel, links eine Werkbank. In der Luft hängt Staub, es duftet nach Holz. Bacher hat vor Kurzem einen Block aus zusammengeklebten Skateboards mit der Säge bearbeitet. Seit drei Jahren arbeitet er mit dem Material und produziert Lampen, Schalen oder Flaschenöffner. Damit ist er so erfolgreich, dass er ein Kleingewerbe angemeldet hat und arbeitet nur noch 30 Stunden als Spielplatz-Planer.
Aus einem Geschenk
wird ein Geschäft
Angefangen hat alles mit einem Geschenk für die Freundin eines Kumpels. Zum Geburtstag hat er ihr einen Korkenzieher gefertigt. „Er hat ihr total gut gefallen, sie war aber auch überrascht“, sagt Robert Schießl, Partner der Beschenkten und Freund von Bacher. Niemand habe sofort erkannt, dass der Öffner aus alten Skateboards besteht. Das Geschenk habe auch die anderen Gäste begeistert. Deshalb hat Bacher weitergemacht. Nun arbeitet er rund 20 Stunden die Woche in seiner Werkstatt, bei schlechtem Wetter noch mehr.
Die Skateboards haben ihm zu Beginn seine Freunde geliefert. Bacher skatet seit 20 Jahren, mindestens dreimal die Woche. „Der Verschleiß ist hoch“, sagt er. Bereits 200 Skateboards habe er in seinem Leben kaputt gefahren – „wenn‘s reicht“. Nun bekomme er die Boards von der „Skate-Community“ aus Europa, vor allem aus Deutschland und Österreich. Er holt die Bretter ab oder zahlt den Transport. Nur aus Kanada oder den USA rentiere sich der Versand nicht, doch auch von dort bekäme er Angebote.
„Am Anfang war es schwieriger“, erinnert sich Bacher. Doch im Januar 2021 ist ein Instagram-Video viral gegangen, in dem er eine Schreibtischlampe fertigt. Beinahe eine halbe Million Aufrufe hat das Video heute. Auf der Plattform folgen ihm nun über 20000 Menschen. Seitdem bekommt er viele Anfragen, mittlerweile bis zu 100 die Woche. Mit diesem Erfolg hat Bacher nach eigenen Angaben nicht gerechnet. Auch Schießl ist von der Tragweite überrascht. Doch er versteht, weshalb sein Freund so viele Fans hat: „Er macht das gut. In seinen Videos sehen die Leute, wie hart und wie viel er arbeitet.“
Kurzfilme
als Werbung
Die Kurzfilme hätten zudem einen „gewissen Witz“ – wie in dem Video, in dem Sanitäter ein Skateboard abholen, es operieren und ihm als Schuhlöffel neues Leben einhauchen. „Darauf ist er besonders stolz gewesen“, sagt Schießl. Bacher habe das Drehbuch selbst geschrieben und mit seinen Freunden umgesetzt. „Wir feiern alle, was er macht“, betont Schießl.
Seit über zehn Jahren sind die beiden befreundet. Und die Skater unterstützen sich. Robert Schießl ist Elektriker und hat Bacher mit der Presse in seiner Werkstatt geholfen. Ein anderer Freund, Tobi Jakob, hat ihm den Laser besorgt. Damit graviert Moritz Bacher den Namen und das Logo seines Gewerbes in die Produkte: ein Skateboard auf dem „2nd life“, zweites Leben, steht.
Denn Bacher legt Wert auf Nachhaltigkeit: „Das Bewusstsein der Leute muss sich verändern, sie sollten Sachen nicht immer gleich wegwerfen.“ Skateboards seien auch nur Holz – genauer gesagt sieben Schichten aus kanadischem Ahorn. Nicht nur das Material, auch viele seiner Werkzeuge seien gebraucht und stammen von Werkstatt- oder Haushaltsauflösungen.
Gibt es auf Verkaufsplattformen „coole Sachen“ zu verschenken, hole er sie beim Anbieter ab. Denn Bacher baut sich gerade ein zweites Standbein auf, indem er Industriemöbel restauriert. Vor Kurzem hat er einen alten Servierwagen mit Treibholz aus dem Meer erneuert. „Handwerk und Holz waren schon immer meins. Ich wollte immer mit den Händen arbeiten, anstatt nur im Büro zu sitzen“, sagt Bacher. Deshalb hat er Zimmerer gelernt und war auf der Holztechniker-Schule in Rosenheim.
„Witzigste Anfrage“
übertrifft alles
Er weiß also, was zu tun ist. Für jedes Produkt verleimt er die Skateboards. Nach 24 Stunden kann er damit arbeiten und schneidet die Holzblöcke in Regenbogenfarben zu. Dann heißt es schleifen, feilen, drechseln. Dabei trägt er ein Schutzvisier mit Luftzufuhr und einen Gehörschutz. An der Drechselbank arbeitet er nach eigenen Angaben am liebsten. Es sei beruhigend und meditativ zuzusehen, wie aus einem Klotz eine Schale wird. Fünf Stunden dauere es, bis eine Schüssel fertig ist. Zwei Stunden brauche er für einen Flaschenöffner.
Die Produkte postet Bacher dann auf Instagram. Wer ihm zuerst schreibt, bekommt den Zuschlag. Der 35-Jährige nimmt aber auch Auftragsarbeiten an, mit einer Wartezeit von mehreren Wochen. Unter den Anfragen seien auch außergewöhnliche Wünsche – etwa übergroße Teile wie Betten. Die sprengen Bacher zufolge den Rahmen. Auch Radlenker seien zu gefährlich. Doch die „witzigste Anfrage“ habe alles übertroffen. „Ein Kunde wollte ein Sexspielzeug“, sagt Bacher und lacht.