Schechen – „Wäre ich Landwirt, hätte ich das Gebäude längst bauen dürfen“, sagt Weber. Er ist aber Bauingenieur. Und durfte bisher nicht. „Das Gebäude“ ist eine Halle für eine größere Holzvergasungs- und eine Trocknungsanlage. Gegenüber von Webers Grundstück im Ortsteil Lohen. Die bestehende Anlage will er erweitern, hat aber auf dem Grundstück, auf dem sich auch sein Wohnhaus befindet, keinen Platz dafür.
Wärme heizt
Lohen seit 2012
2012 hat Weber eine Holzgasanlage für sich gebaut. Und weil damals in Lohen auch der Kanal gebaut wurde, entstand in dem Zuge auch eine 400 Meter lange Fernwärmeleitung mit sieben Hausanschlüssen. Bis auf zwei Gebäude hängt ganz Lohen seitdem an Webers Holzgasanlage. Mit der er Strom und Wärme produziert. Aus Hackschnitzeln. Die er mit der anfallenden Wärme trocknet und so deutlich effizienter verwerten kann.
2017 und 2018 hatte er seine Anlage schon erweitert. Der Strom ging und geht ins öffentliche Netz, im vergangenen Jahr hat Weber rund 1,4 Millionen Kilowattstunden eingespeist. Das reicht, um ein Viertel der Gemeinde Schechen zu versorgen. Die Wärme heizt ganz Lohen. Außerdem werden damit nicht nur die eigenen Hackschnitzel getrocknet, längst macht Weber auch Lohntrocknung von Mais, Soja, Siloballen und mehr für Landwirte.
Anfang 2020 entstand die Idee, aus der Anlage ein Holzkraftwerk zu machen, Mühlstätt und/oder Schechen anzuschließen. Material und Technik waren vorhanden. Nur der Platz auf dem ehemaligen Bauernhof, jetzt Wohnhaus der Familie Weber, reichte für ein Holzkraftwerk nicht mehr aus. Als Kooperationspartner wollte Weber die Stadtwerke Rosenheim gewinnen. „Die hatten aber damals kein Interesse“, erzählt er.
Der Bauingenieur tüftelte unverdrossen weiter. Holte sich Informationen zur Genehmigung des Holzkraftwerkes. Und siehe da: Im Mai 2022 meldete sich Innergie, eine Tochter der Stadtwerke Rosenheim, bei Weber wegen der Zusammenarbeit bei einem Fernwärmenetz. Der Kooperationsvertrag war schnell geschlossen. Der Bauantrag lag fertig auf Webers Schreibtisch. Im November 2022 begann Innergie mit dem Leitungsbau.
Ortsteil liegt im
Außenbereich
An den Bau der Halle war da noch lange nicht zu denken. Als Bauingenieur war Weber klar, dass Lohnen Außenbereich ist. Um im Außenbereich bauen zu können, bedarf es der Privilegierung. Landwirte haben die. Besitzer eines ehemaligen Hofes nicht. Zügig einen Bebauungsplan aufzustellen, scheitert am „Anbindegebot“ das Landesentwicklungsprogrammes Bayern. Das besagt unter anderem, dass vor allen an den Siedlungsschwerpunkten neues Bauland ausgewiesen werden soll. Lohen ist kein Siedlungsschwerpunkt.
Im §35 des Baugesetzbuches heißt es: „(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es … 3. der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient.“
„Ich dachte mir: Passt doch – öffentliche Versorgung mit Elektrizität und Wärme ist doch genau das Ziel“, erzählt Weber. Schon im September 2020 hatte er sich deswegen mit der Regierung von Oberbayern in Verbindung gesetzt. Diese meldete sich einen Monat später und verwies auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1977. Danach ist die privilegierte Zulässigkeit von Energieversorgungsanlagen im Außenbereich daran geknüpft, dass sie ortsgebundenen sind, ausschließlich an der fraglichen Stelle betrieben werden können. „Hierfür genügt nicht, dass sich der Standort aus Gründen der Rentabilität anbietet oder gar aufdrängt“, schrieb Martin Käsberger, Baurechtsexperte der Regierung von Oberbayern. „Unter Zugrundelegung dieser restriktiven Rechtsprechung lässt sich ein spezifischer Standortbezug Ihres Vorhabens leider kaum begründen.“ Dass der Baurechtler der Regierung sein Bedauern ausdrückt, half Weber wenig.
Unterstützung hatte ihm auch das Landratsamt zugesagt. Landrat Otto Lederer wandte sich zur Unterstützung Webers und ähnlicher Vorhaben an das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, um eine gesetzgeberische Initiative auf Bundesebene anzuregen. Eines betont Weber im Gespräch mit dem OVB immer wieder: Das Landratsamt habe ihn in seinem Vorhaben immer unterstützt, habe nach Möglichkeiten gesucht und andere Behörden mobilisiert. „Genehmigen konnten sie mir das Gebäude nicht, aber sonst waren die Mitarbeiter wirklich sehr bemüht und hilfsbereit“, sagt Weber. Die selbe Rückendeckung habe er in der Gemeindeverwaltung gehabt.
E-Mail an den
Bundesminister
Baurecht auf der Wiese gegenüber seines Wohnhauses habe er aber immer noch nicht. Im Juli letzten Jahres schrieb Weber schließlich eine E-Mail an den Bundesminister für Wirtschaft und Klimawandel, Dr. Robert Habeck von den Grünen. Und an die Bundesbauministerin Klara Geywitz von der SPD. Er wollte von oberster Stelle geklärt haben, wie er denn bitte zu Baurecht für seinen Stadel zur Gewinnung von Strom und Wärme aus Hackschnitzeln komme. Die Antwort aus dem Wirtschafts- und Klimaschutzministerium ließ fast ein Jahr auf sich warten. Und lautete dann, von Weber zusammengefasst: „Tolles Projekt, wir sind sehr dafür. Aber leider der falsche Ansprechpartner.“ Auf die Antwort des Bauministeriums wartet er bis heute. In der Zwischenzeit hatte Weber im Januar 2023 dann doch einen Bauantrag gestellt. Auch, um notfalls gegen die Ablehnung klagen zu können. Und Weber hatte weiter telefoniert. Im bayerischen Wirtschaftsministerium geriet er an einen bestens informierten Beamten. „Der kannte einen Passus im Kommentar des Landesentwicklungsprogrammes, der Bebauungspläne für Biomasse, Windkraft und Freiflächenphotovoltaik ermöglicht.“ Wenn die Gebäude nicht mehr als 100 Quadratmeter haben.
Nachfrage bei der Gemeinde, ob die mitzieht. „Freilich, ist doch ein super Projekt“, bestätigt Bürgermeister Stefan Adam auf Nachfrage des OVB. Den beim Landratsamt liegenden Bauantrag zurückgezogen, bevor ein Bescheid rausging. „War deutlich billiger, hat mich aber trotzdem 87 Euro und ein paar Cent gekostet“, sagt Weber und grinst.
Im Juni 2023, reichlich drei Jahre, nachdem Weber die Idee für ein Holzkraftwerk hatte, die ersten Pläne entwarf und die ersten Erkundigungen einzog, beschloss der Schechener Gemeinderat, den Bebauungsplan Nummer 41 aufzustellen. In der jüngsten Sitzung stellte Planer Fuchs den Entwurf vor. Mit zwei Gebäuden im rechten Winkel zueinander, in Anlehnung an die Hofstelle. „Ich fand eine riesige Halle quer in der Wiese einfach schwierig“, erklärte er im Gemeinderat. Die beiden Gebäude und die dazwischen liegenden Freiflächen sind mit einem zehn Meter breiten Grüngürtel samt Versickerungsmulde umgeben. „Das ist mehr Ausgleichsfläche, als benötigt wird“, so Fuchs. Die Gemeinderäte hatten keinen Diskussionsbedarf, stimmten dem Bebauungsplanentwurf und dessen Auslegung einmütig zu. Ebenso einstimmig und Minutensache war die notwendige Änderung des Flächennutzungsplanes.
Erleichtertes
Aufatmen
Erleichtertes Aufatmen bei Sepp Weber in den Zuschauerreihen. Weit über 700 Stunden Arbeit hat er seit Anfang 2020 in dieses Projekt gesteckt. Bei 100 Euro Stundenlohn kommt da eine heftige Summe zusammen. „Wenn ich nicht selber Bauingenieur wäre, hätte ich vermutlich irgendwann aufgegeben“, sagt Weber. „Das I-Tüpfelchen wäre, wenn sich in den nächsten zwölf Monaten das Baurecht so ändert, dass der Bebauungsplan gar nicht mehr nötig ist. So oder so: Vier Jahre werden es von der Idee eine Holzkraftwerkes zu dessen Umsetzung. Wenn das der Habeck wüsste.