Das Inntal unterstützt Italien

von Redaktion

Die italienische Regierung hat genug von langen Lkw-Schlangen. Sie will das Nachbarland Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der zahlreichen Blockabfertigungen verklagen. Es ist ein deutliches Zeichen im jahrelangen Streit, das auch im Inntal für Aufregung sorgt.

Brannenburg/Oberaudorf/Nußdorf – „Mir wurde oft gesagt, dass das gar nicht geht“, zeigt sich der Brannenburger Bürgermeister Matthias Jokisch überrascht. Doch nach unzähligen Diskussionen rund um die Dosierungsmaßnahmen auf der Brennerroute hat die italienische Staatsregierung nun offenbar genug. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni beschloss zum Wochenbeginn in Rom, den EU-Partner Österreich wegen des „einseitigen Transitverbotes“ zu verklagen.

Blockabfertigung
als „Notfallplan“

Nach diesem deutlichen Schritt ist Jokisch schon jetzt „sehr gespannt”, ob die Klage angenommen wird, und was dabei herauskommt. Am Dienstag sei die Situation auf der Inntal-Autobahn wieder einmal untragbar gewesen. Nach dem Unfall eines Lastwagens zwischen der Mautstelle Schönberg und Matrei kam es an der Tiroler Grenze bei Kiefersfelden wieder zu einer spontanen Blockabfertigung. Eine Aktion, die Österreichs Verkehrsministerin Leonore Gewessler einmal mehr als „Notmaßnahme” und nicht als rechtswidriges Handeln bezeichnete.

Doch durch diese „Notfälle“ zog sich Tirol in den vergangenen Jahren nicht nur den Unmut aus dem bayerischen Inntal, sondern auch aus Italien zu. Dort bildete sich beispielsweise am 3. Oktober ein 110 Kilometer langer Stau, als aufgrund des Feiertags in Deutschland die Brennerautobahn kurzerhand auch für italienische Lkw-Fahrer gesperrt wurde.

Für die Nußdorfer Bürgermeisterin Susanne Grandauer steht nicht erst nach den jüngsten Vorfällen fest, dass bei keiner der beteiligten Parteien Kompromissbereitschaft besteht. „Deshalb muss durch den EuGH eine zeitnahe Lösung gefordert werden.“ Sie sieht den Schritt im Transit-Streit als notwendig. Zumal die Bundesregierung in Berlin die Blockabfertigung als ein regionales, also als bayerisches Problem, ansehe. „Weder die Regierung unter Merkel noch die jetzige Regierung sehen Handlungsbedarf”, meint Grandauer. Da Bayern jedoch kein Klagerecht habe, sei es nun umso besser, dass Italien jetzt die Klarheit über den EuGH herbeiführen will.

Keine Gespräche
auf nationaler Ebene

Auch Oberaudorfs Bürgermeister Dr. Matthias Bernhardt begrüßt den Beschluss aus Italien. Denn bei jeder Blockabfertigung steige das Verkehrsaufkommen durch ausweichende Autofahrer in den Gemeinden drastisch an. „Die Kommunen haben die Notwendigkeit einer Aufklärung auf Bundesebene immer wieder verdeutlicht”, sagt Bernhardt. Bisher gab es jedoch keine Reaktion wie nun aus Italien.

Der Rosenheimer Landrat Otto Lederer würde grundsätzlich das Gespräch zwischen den Nachbarn bevorzugen und verweist auf das Treffen im April zwischen Ministerpräsident Markus Söder sowie den Tiroler Landeshauptmännern Anton Mattle und Arno Kompatscher. „Es ging darum, sich nicht gegenseitig zu blockieren, sondern gemeinsam Lösungen zu finden.”

Solche Gespräche vermisst Lederer auf nationaler Ebene zwischen Berlin, Wien und Rom. „Diese wären aber dringend geboten, da die aufgezeichneten Lösungswege nur im nationalen Miteinander realisiert werden können”, meint er. Aus Berlin kam jedoch noch keine Reaktion. Das Bundesverkehrsministerium hat sich auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen noch nicht zur Klage Italiens geäußert.

Landrat bleibt optimistisch

Der Rosenheimer Landrat hofft nun, dass die mögliche Klage, die der Ministerrat in Rom anstrebt, die bisherigen Bemühungen nicht zunichtemacht. „Wobei ich optimistisch bleiben will”, sagt Lederer. Zumal der italienische Außenminister Antonio Tajani schon um Vernunft geworben hat, damit letztlich eine gute Lösung dies- und jenseits der Tiroler Grenzen gefunden wird.

Bevor es überhaupt zu einem Verfahren kommen kann, muss sich die EU-Kommission damit befassen. Falls diese innerhalb von drei Monaten keine Stellungnahme abgibt, landet die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Dann entscheidet sich, ob die „Notmaßnahme“ der Tiroler gegen EU-Recht verstößt.

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