Landkreis Rosenheim – Nach dem Aus der Umweltprämie rechnen Autohändler mit starken Einbußen im E-Autohandel. Die Entscheidung der Bundesregierung hat die Kunden verunsichert. Die Nachfrage nach E-Fahrzeugen ist fast zum Stillstand gekommen. Doch es gibt auch gute Nachrichten.
„Es trifft vor allem die Menschen, die in dieser Gesellschaft Werte schaffen“, kritisiert Willi Bonke, Geschäftsführer der Auto Eder GmbH, die Entscheidung. „Das Ende des Umweltbonus zeugt von fehlender Weitsicht. Diese Entscheidung benachteiligt Normalverdiener, bringt den Mittelstand in eine Notlage und dämpft den Hochlauf der Elektromobilität erheblich.“
Auswirkungen
des Haushaltslochs
Aufgrund nicht verfassungskonformer Haushaltspolitik und eines 60-Milliarden-Euro-Lochs im Klima- und Transformationsfonds hat die Bundesregierung den Umweltbonus am 13. Dezember abgeschafft. Nur bis 17. Dezember konnten noch Förderanträge beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gestellt werden. Danach war Schluss.
Im Kreis Rosenheim schafften es am 14. und 15. Dezember noch 16 Fahrzeughalter, ihre E-Fahrzeuge anzumelden und sich so den Umweltbonus von 4500 Euro zu sichern. „Zulassungen rückwirkend auszustellen, war den Zulassungsbehörden untersagt“, erklärt Sibylle Gaßner-Nickl, Sprecherin des Landratsamtes. In der Woche vom 18. bis 22. Dezember wurden trotzdem weitere 57 Fahrzeuge mit Elektroantrieb zugelassen. Der Jahresvergleich mit durchschnittlich 120 E-Zulassungen pro Monat und damit etwa 30 pro Woche verdeutlicht den sprunghaften Anstieg. Doch jegliche Hoffnung auf eine Rücknahme der Entscheidung war vergebens.
„Das ist ein Skandal, ein absoluter Vertrauensbruch, eine große Verunsicherung der Menschen“, kritisiert Bonke. Reine Elektrofahrzeuge seien vor allem durch die Batterie so teuer, deren Herstellung etwa 40 bis 50 Prozent des Fahrzeugpreises ausmache. „Unsere Kunden haben sich mit dem Thema Elektromobilität intensiv beschäftigt, sich entschlossen, für den Klimaschutz in die teure Technologie zu investieren und sich dabei auf das Prämien-Versprechen des Bundes verlassen.“ Über Nacht sei es von einer Regierung gebrochen worden, die im Koalitionsvertrag verankert hat, bis 2030 rund 15 Millionen Elektroautos auf den Markt bringen zu wollen. „Es ist eine absolute Sauerei, so eine Entscheidung so kurzfristig und ohne Planungshorizonte für Hersteller, Autohäuser oder Kunden zu fällen“, sagt auch Josef Bader, Geschäftsführer der Auto Bader KG in Bad Aibling.
„Der Aktionismus dieser Bundesregierung ist ein Riesenproblem: Wenn man Verträge schließt, braucht man Planungssicherheit. Diese ist aber nicht mehr gegeben“, betont Roland Mainzl, Geschäftsführer der BaderMainzl GmbH. In den Häusern in Feldkirchen-Westerham, Bruckmühl, Rosenheim und Wolfratshausen sind 400 Mitarbeiter beschäftigt. Zehn Kunden waren vom Ende des Umweltbonus betroffen. „In Kooperation mit den Herstellern konnten wir ihnen den kompletten Zuschuss von 4500 Euro zusichern“, informiert Mainzl.
Zum Glück sind die Hersteller eingesprungen: „Als nach dem Schock die ersten Kunden anriefen, wussten wir bereits, dass Ford und MG zu ihrem Herstelleranteil den kompletten staatlichen Anteil an der Kaufprämie übernehmen. Die Kunden, die ihre Kaufverträge bereits abgeschlossen hatten, die Fahrzeuge aber nicht mehr rechtzeitig anmelden konnten, konnten sich auf den Zuschuss von 4500 Euro verlassen“, informiert Stefan Kurz, Verkaufsberater bei Auto Eder in Kolbermoor.
„Mercedes hat die Übernahme des BAFA-Anteils bis Ende Januar auf Basis des ursprünglich für 2024 reduzierten Höhe von 3000 Euro plus den Herstelleranteil von 1500 Euro zugesichert“, informiert Josef Bader von Auto Bader. „Das bedeutet, dass der Kunde bis Ende Januar gleichgestellt ist, als wäre der Bonus ‚normal‘ weitergelaufen, aber eben ab 1. Januar in reduzierter Form.“ Bis zum 31. Dezember 2023 hatte Mercedes den BAFA-Bonus in der damals geltenden Höhe von 4500 Euro voll übernommen. Vom Aus des Umweltbonus war in Bad Aibling kein Kunde direkt betroffen. „Wir hatten zwei Tage vor der Entscheidung noch drei Fahrzeuge angemeldet“, berichtet Bader.
Trotzdem bleiben tiefe Sorgenfalten bei den Autohändlern: Die Elektromobilität war gerade im Aufwind. Deutschlandweit wurden nach Informationen des Kraftfahrzeugbundesamtes im vergangenen Jahr 524219 Elektro-Pkws (BEV) zugelassen, was einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 11,4 Prozent entspricht. „Die Prämie als Steuerungsinstrument hat natürlich einen Schub gebracht“, sagt Mainzl. Ohne den Umweltbonus werde sich die Entwicklung wieder verlangsamen.
„Jetzt muss im Bereich der Ladeinfrastruktur aufgeholt werden, denn deren Ausbau ist wichtiger Bestandteil der Elektromobilität und hätte längst und im gleichen Tempo erfolgen müssen“, macht er auf ein weiteres, hausgemachtes Problem aufmerksam. Doch nicht nur an Ladesäulen fehlt es in Deutschland. Auch der aus erneuerbaren Energien erzeugte Strom liegt nach Angaben der Bundesnetzagentur erst bei 56 Prozent. Wirklich „grün“ kann also auch ein E-Auto nicht tanken.
„Wir müssen uns auf einen dramatischen Rückgang der Nachfrage nach Elektrofahrzeugen einstellen“, befürchtet Willi Bonke. Er rechnet mit einem Minus von etwa 30 Prozent. Ähnlich schätzt auch Roland Mainzl die Situation ein: „Seit dem 13. Dezember ist die Nachfrage gesunken. Die Verunsicherung der Kunden ist groß. Jeder wartet ab, beobachtet den Markt und hofft, dass etwas kommt.“
Willi Bonke kennt die Autobranche seit fast 50 Jahren. Zur Auto Eder Gruppe gehören 22 Autohäuser mit circa 1200 Mitarbeitern. Im Händlerbeirat von Ford Deutschland vertritt Bonke zudem die Interessen von 500 Autohäusern mit etwa 22000 Beschäftigten. Er beobachtet mit Sorge, wie die Nachfrage an E-Autos gesunken ist: „Allein in unserem Kolbermoorer Autohaus hatten wir vor dem 13. Dezember pro Tag etwa fünf Kontakte mit Interessenten für E-Autos, jetzt sind es noch fünf pro Woche.“
Der Experte befürchtet, dass die Entscheidung der Bundesregierung bei den Autohändlern zu so starken Ertragseinbußen führen wird, dass Arbeitsplätze gefährdet sind. „Der Verdrängungswettbewerb in unserer Branche wird noch härter werden.“
„Die Steuerzahler bezahlen für die Versäumnisse der Ampel“, kritisiert Bonke, und das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) gibt ihm Recht: Nach dessen Berechnungen müssen im neuen Jahr vor allem Gering- und Durchschnittsverdiener mehr an den Staat abtreten. Die Sozialbeiträge steigen, CO2 kostet mehr, die Mehrwertsteuer in der Gastronomie ist wieder auf 19 Prozent gestiegen, ebenso die Mehrwertsteuer für Gas. Außerdem muss aufgrund steigender Netzentgelte mehr für Energie gezahlt werden. Auch die Mobilität wird teurer. Nicht nur durch steigende Preise für Kraftstoffe und Strom an den Ladesäulen. Auch durch die monatlichen Raten der E-Autos. „75 Prozent aller Fahrzeuge werden geleast oder finanziert“, erklärt Bonke. Die monatlichen Raten werden abhängig vom E-Modell steigen. Ein konkretes Beispiel findet sich vor Ort im Kolbermoorer Autohaus: Mit dem Sonderbonus von 4500 Euro lag die monatliche Leasing-Rate (48 Monate) eines MG4Electric des chinesischen Herstellers MG bei 312 Euro. Ohne den Umweltbonus steigt sie auf 405 Euro. „Und da sind wir in Preiskategorien, die sich viele Menschen nicht mehr leisten können“, macht Willi Bonke klar.
„Die Hersteller werden auf die aktuelle Situation reagieren“, ist sich Mainzl sicher. Die ersten Aktionen seien mit Sonderfinanzierungs- oder -leasingangeboten angelaufen. „Trotzdem werden wir das erste Quartal abwarten müssen, um die Auswirkungen des Umweltbonus-Endes auf unsere Branche beziffern zu können.“
Gibt‘s Rabattaktionen der Hersteller?
Josef Bader rechnet mit Rabatten der Hersteller, denn: „Sie haben ihre langfristige Produktionsplanung. Wenn der Markt die neuen Fahrzeuge nicht aufnimmt, müssen sie reagieren.“ Allerdings glaubt er nicht, dass die Preisnachlässe der Hersteller die Höhe der Umweltprämie erreichen werden. Willi Bonke sieht im Wegfall des Umweltbonus auch eine wachsende Benachteiligung der Menschen in ländlichen Regionen: „Sie können nicht auf den ÖPNV umsteigen. Sie sind auf ihr Auto angewiesen und müssen die zusätzlichen Kosten in allen Lebensbereichen schultern.“ Können sie sich kein E-Auto leisten, müssen sie auf Verbrenner zurückgreifen.
Industrie steckt mitten in der Transformation
Doch im Neuwagensegment wird es in Deutschland bald nur noch Elektrofahrzeuge geben. Ab 2035 dürfen keine Verbrenner mehr neu zugelassen werden. Die Automobilindustrie steckt mitten in der Transformation. Im Vertrauen auf die im Koalitionsvertrag verbrieften Ziele der Bundesregierung und die Förderung durch die Kaufprämie haben die Hersteller ihre Modellpaletten auf E-Mobilität ausgerichtet. „Schon ab 2025 sind alle neuen Ford-Modelle in Deutschland rein batteriebetrieben“, blickt Bonke voraus.
BMW baut in seinem Stammwerk in München schon ab diesem Jahr keine Verbrenner mehr. Mercedes will ab 2025 alle Entwicklungsprozesse auf Elektroantrieb ausrichten, Audi ab 2026 keine neuen Modelle mit Verbrennungsmotor mehr entwickeln. Verbrenner werden künftig nur noch im Ausland – beispielsweise in China – oder für den ausländischen Markt gebaut.