Die Goldene Gams von Kitzbühel

von Redaktion

Hahnenkamm-Sieger Linus Straßer hatte einen legendären Vorgänger aus Bruckmühl

Bruckmühl/Kitzbühel – Am legendären Ganslernhang in Kitzbühel feierte am vergangenen Sonntag Linus Straßer aus München seinen bisher größten Erfolg als Alpinskifahrer: Er gewann den Hahnenkamm-Slalom, errang die „Goldene Gams“ und erfüllte sich damit einen Kindheitstraum.

Im Zeitungsbericht im „Münchner Merkur“-Sportteil wurde Straßer entsprechend gefeiert. Unter anderem wurden auch seine legendären deutschen Vorgänger aufgezählt: Christian Neureuther (1979), Armin Bittner (1989) und Felix Neureuther (2010 und 2014) holten an gleicher Stelle Weltcup-Siege für das DSV-Team. Doch zwei Legenden fehlen in der Liste, wohl weil sie ihre Siege vor der Weltcup-Ära feierten. Dennoch müssen sie als vollwertige Vorfahren von Linus Straßer zwingend genannt werden: Ludwig „Luggi“ Leitner aus dem Kleinen Walsertal (1963) und Sepp Folger aus Bruckmühl.

Sepp Folgers Sieg
zum Jubiläumslauf
mit doppelter Bestzeit

Es war der größte Tag von Sepp Folger in seiner Karriere als Skisportler: Am Sonntag, 22. Januar 1950, trat er mit Startnummer 30 zum Slalom des zehnten Hahnenkamm-Rennens am Ganslernhang in Kitzbühel an, fuhr in beiden Läufen Bestzeit und ging als erster deutscher Hahnenkamm-Sieger in die Geschichte ein. Die Plätze zwei und drei belegten die Österreicher Fritz Huber und Alois Zauner. Auf Platz zwölf bei diesem Rennen landete übrigens ein weiterer Österreicher namens Ernst Hinterseer. Er ist der Vater von Hansi Hinterseer, der beim Hahnenkamm-Slalom 1974 triumphierte.

Traditionell tragen die Gondeln der Hahnenkamm-Bergbahn die Namen der Sieger: Auf der Gondel Nummer 52 ist der Name Sepp Folger verewigt. In einem Gespräch mit unserer Zeitung anlässlich seines 90. Geburtstag im Jahr 2012 erzählte der ehemalige Skistar aus seinem Leben. Auf die Welt gekommen ist er im Schloss Vagen (heute berühmt als „Hotel Fürstenhof“ in der TV-Serie „Sturm der Liebe“), wo seine Eltern angestellt waren. Mit drei Jahren kam Sepp Folger ins benachbarte Thalham, wo sein Vater ein landwirtschaftliches Anwesen erworben hatte.

Sein Schulweg führte ihn nach Vagen, aber seine Freizeit verbrachte er am liebsten auf dem nahegelegenen Bruckmühler Sportplatz. Den jungen Sepp interessierte keineswegs nur der Wintersport: Folger spielte dazu leidenschaftlich gern Feldhandball und auch Fußball und erlitt dabei einen Schien- und Wadenbeinbruch. „Das hat gekracht, als wenn ein Brett abbricht“, erinnerte er sich. Er war auch ein ausgezeichneter Leichtathlet und hielt den deutschen Jugend-Stabhochsprungrekord.

Skifahren hat er mit eisernem Willen am Wendelstein und auf einer Schneise am Nordhang des nahen Irschenbergs trainiert. Er entwickelte sich in den 40er- Jahren zu einem der besten deutschen Skifahrer, der sich dann international auch mit den damaligen österreichischen Skigrößen Othmar Schneider, Fritz Huber und Christian Pravda und mit dem italienischen Skistar Zeno Colo maß. Im Zweiten Weltkrieg war er unter anderem in einer aus namhaften deutschen Wintersportlern zusammengestellten Spezialeinheit eingesetzt und erlebte das Kriegsende in Bludenz/Vorarlberg. „Von dort wurde ich als sogenannter Reichsdeutscher nach Kufstein abgeschoben und kam auf einem in Kiefersfelden geliehenen Fahrrad zurück nach Thalham“, erzählte er schmunzelnd. Leider ist ihm in seinen besten sportlichen Jahren eine Olympia-Teilnahme versagt geblieben: „1944 sind die Olympischen Spiele wegen des Zweiten Weltkriegs ausgefallen und 1948 durften wir Deutsche als ‚Kriegsverbrecher‘ nicht teilnehmen“, bedauerte er.

Auch nach der
Karriere prägend
für den Skizirkus

Nach dem Ende seiner aktiven Karriere übernahm der Sepp die elterliche Landwirtschaft, arbeitete außerdem als Trainer der Damenmannschaft beim Deutschen Skiverband und war maßgeblich an der Entwicklung der „Marker“-Skibindung und des „Fritzmeier“-Skis beteiligt. Sepp Folger ist ein Jahr nach seinem 90. Geburtstag verstorben. Zur Beerdigung auf dem Friedhof im Bruckmühler Ortsteil Mittenkirchen kamen auch mehrere Mitglieder aus seinem „Schneeforscher“-Freundeskreis, darunter frühere Fußballgrößen wie Franz Beckenbauer und Uwe Seeler, Ex-Bundestrainer Erich Ribbeck, Zehnkampf-Olympiasieger Willi Holdorf, der ehemalige TV-Sportkommentator Werner Zimmer, Ex-Eisschnelllaufmeister Herbert Höfl sowie Sportmoderatorin Marianne Kreuzer.

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