Amerang/Wasserburg – Landwirte stehen vor einer neuen Herausforderung: Die Sorgfaltspflicht, vor der Wiesenmahd für die Verhinderung von Tier-Mähunfällen zu sorgen, ist verschärft worden. Zu Tode verletzte und verstümmelte Rehkitze sollen der Vergangenheit angehören. Der Landwirt hat dafür Sorge zu tragen, dass in seinen Wiesen keine Mähunfälle mehr passieren.
Die zweifellos notwendige, positive Maßnahme stellt viele Landwirte vor eine schwierige Aufgabe. Riesige Flächen, eng getaktete Mähtermine und hektische Mähtage machen die Suche nach Kitzen schier unmöglich. Zur anstehenden Heumahd wird das Thema wieder brandaktuell. Es drohen schreckliche Unfallszenen und inzwischen auch Geldbußen für die Landwirte. Doch es gibt Lösungen, teilt Marie-Theres Schurrer von der Wildtierhilfe Amerang in einer Pressemitteilung mit.
Am frühen Morgen
unterwegs
Freiwillige Kitzretter-Gruppen würden ihre Zeit am frühen Morgen investieren, um Flächen mit Drohnen abzufliegen und die Kitze zu bergen, so Schurrer. Die Anfragen an diese Gruppen seien hoch und oft sind die Drohnen ausgebucht. Die Freiwilligen haben reagiert: Viele Gruppen fliegen inzwischen mit mehreren Drohnen, und es entstehen überall neue Teams. Manche Landwirte reagieren ihrerseits schon umsichtig und verschieben einen geplanten Mähtermin auf den Vorabend oder Folgetag, sodass der Drohnenflug auch in Stoßzeiten erfolgen kann, in denen überall gemäht wird. „Eine Anfrage lohnt sich unbedingt“, betont Schurrer, „wir machen alles möglich, was geflogen werden kann, und andere Gruppen ebenso.“
Unentbehrlich sei in der Kitzrettung die Zusammenarbeit von Landwirt und Jäger. Im Austausch zwischen den beiden können kritische Flächen identifiziert werden, in denen tragende Rehgeißen aktuell gesichtet werden. Dies reduziert die abzusuchenden Flächen enorm und erlaubt eine gezieltere Suche. Drohnen können dann effizienter eingesetzt und sehr viel mehr Landwirte bedient werden, so die Expertin.
Es gebe auch sinnvolle, altbekannte Alternativen zur Drohnensuche. Das Aufstecken von Scheuchen in der Wiese am Abend vor der Mahd veranlasst die meisten Rehmütter dazu, nachts ihre Kitze aus der Wiese zu holen. Die Wirkung der Scheuchen – es genügt ein Stock mit einem blauen Müllsack – hält allerdings nur eine Nacht lang an. Danach haben sich die klug beobachtenden Rehe an den Gegenstand gewöhnt.
Für sehr kleine, frisch gesetzte Kitze hilft diese Maßnahme allerdings nicht. Sie sind zu schwach für den weiten Weg aus dem hohen Gras und bleiben deshalb potenzielle Mähopfer, so Schurrer.
Ebenso bekannt sei das sogenannte Ausmähen einer Bahn um die Wiese herum am Abend vor der Mahd. Genau wie die Scheuche macht auch diese Maßnahme die Wiese für die Rehmütter unsicher, und viele werden ihre Kitze nachts herausführen – aber auch hier bleiben die frisch geborenen Allerkleinsten in der Wiese. Das Ausmähen ist praktisch und schnell zu erledigen, hat aber einen größeren Nachteil: Ein Kitz überquert den schutzlosen gemähten Streifen nur mithilfe der Mutter, erklärt sie. Versucht nun ein Kitz, während der Mahd noch zu entfliehen, wird es die Wiese nicht verlassen können und bleibt darin wie eingesperrt.
Neue, technische Maßnahmen werden propagiert, allen voran der sogenannte „Kitzretter“ am Mähwerk, ein Piepser, der laute Töne von sich gibt und Wild und auch Katzen aus der Wiese verscheucht. Es ist wichtig, zu wissen, dass dieser Piepser erst ab Juni in der Kitzrettung wirksam ist, wenn die meisten Kitze bereits laufen können. Im Mai sind die jungen Kitze noch nicht in der Lage, vor dem Lärm davonzurennen und werden trotzdem zermäht. Unter Beachtung dieser Einschränkung ist der piepsende Kitzretter ein sinnvolles Hilfsmittel gegen den Mähtod von Kitzen, Hasen und auch Katzen, so die Expertin weiter.
Praktische Lösungen
noch nicht im Umlauf
Weitere technische Lösungen, wie der automatische Stopp der Mähmaschine beim Sichten einer Wärmequelle in der Wiese, sind noch unausgereift im Gesamtkonzept – das gefundene Tier muss auch gesichert werden, bis die Mutter es abholen kann – und sehr kostspielig. Erschwingliche, praktische, tiergerechte Lösungen für den Mähalltag sind noch nicht im Umlauf. Es würden also zwei wirksame Maßnahmen für die anstehende Heumahd, die zusammengehören: Die Zusammenarbeit mit dem Jäger für das Scheuchenstellen und für die Ausweisung kritischer Flächen und die Anfrage zur Drohnenbefliegung für die gefährdeten Bereiche, erklärt sie.
„Wir versuchen überall zu helfen, geben auch gerne Auskunft auf Fragen und vermitteln Kontakt zu örtlich verfügbaren Drohnen“, erklärt Schurrer. „Es findet sich fast immer eine Lösung. Nichtstun ist passé. Wir freuen uns über jeden Landwirt und Jäger, der sich meldet.“ Einsatztelefon der Wildtierhilfe Amerang e.V.: 0152/21348498 (auch Whatsapp).