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Bad Aibling – Für viele Hebammen in Deutschland treten aktuell tiefgreifende Änderungen ein. Seit dem 1. November greift bundesweit ein neuer Hebammenhilfevertrag, wonach Krankenkassen die Leistungen von Hebammen künftig anders abrechnen. Dadurch müssen etwa freiberufliche Hebammen mit deutlichen Einkommensverlusten rechnen. Der Aufschrei ist dementsprechend groß. Das fehlende Einkommen gefährde ihre Existenz, so die Kritik.
Ein weiterer Knackpunkt der Gebührenverordnung ist die Eins-zu-Eins-Betreuung. Eine Hebamme soll mehr Geld verdienen, wenn sie ausschließlich eine einzige Mutter zur gleichen Zeit betreut. Kümmert sie sich jedoch um mehrere Mütter gleichzeitig, so erhält sie weniger Geld pro Geburt.
Geburten nicht
genau planbar
Ein immenses Problem, da Hebammen, die im Krankenhaus tätig sind, Geburten unmöglich genau planen können.
Laut dem Deutschen Hebammenverband regelt der neue Vertrag die Arbeitsbedingungen von rund 19000 freiberuflichen Hebammen in Deutschland. Und die Einführung wirke sich wirtschaftlich „zum Teil sehr negativ“ auf die Hebammen aus, stellt der Verband klar.
Eine Sichtweise, die freilich auch Hebammen in der Region teilen. „Vor allem Kolleginnen, die als Beleg-Hebammen in den Kreissälen der Krankenhäuser arbeiten, werden dadurch finanziell schlechter gestellt“, fürchtet Ines Ferstera.
Als freiberufliche Hebamme hat sie vor 15 Jahren die Hebammenpraxis in Bad Aibling eröffnet – damals noch integriert im Romed-Klinikum Bad Aibling, nach der Schließung der Geburtenstation dann in eigenen Räumen am Maximiliansplatz. „15 Jahre sind heutzutage, auch gerade nach Corona, schon eine lange Zeit“, sagt Ferstera, die sich vor allem bei den unzähligen Müttern für ihr jahrelanges Vertrauen bedankt.
Zusammen mit Hebamme Eva-Maria Lobis bietet Ferstera ein Leistungsangebot, das das breite Spektrum der Betreuung der Frau während der Schwangerschaft und im Wochenbett, also Vor- und Nachsorge der Geburt, betrifft.
Gebührenerhöhung
dringend notwendig
„Wir sind von den negativen Folgen der neuen Verordnung zum Glück nicht betroffen“, sagt Ferstera. Dies gelte ebenso etwa für niedergelassene Hebammen, die auch Hausgeburtshilfe anbieten, und Kolleginnen, die im Geburtshaus arbeiten. Sie profitieren von der Gebührenerhöhung, „die aber auch dringend notwendig war“, betont sie.
Fraglich sei jedoch, warum die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche von dem neuen Vertrag so verschieden betroffen seien.
„Wir Hebammen haben nun mal leider keine Lobby“, beklagt deshalb Eva-Maria Lobis, die in der Aiblinger Praxis federführend für die vielen Kursangebote, etwa zur Geburtsvorbereitung zuständig ist. Ihr Mitgefühl gilt „ganz vielen Kolleginnen“, die ab November große Einschnitte hinnehmen müssen.
Positiv sei dagegen, dass es mittlerweile mehr und mehr hebammengeleitete Kreißsäle gebe, in denen in der Regel gar keine Ärzte mehr zugegen sind, betont Ferstera. Und auch wenn ihr Berufsstand stets gegen eine Verdrängung kämpfen muss, beobachtet sie auch einen positiven Trend: „Das Frauenbild hat sich im Vergleich zu meinen beruflichen Anfängen schon verändert. Heute betrachten Frauen ihre Schwangerschaft viel bewusster, wollen alles richtig machen und fragen aktiv nach der richtigen Ernährung oder dem besten Verhalten“, erklärt die erfahrene Hebamme. Außerdem würden immer mehr Frauen gezielt eine Hebammenberatung während der Schwangerschaft in Anspruch nehmen. „Ich sehe da einen Aufschwung und hier sehe ich auch meinen persönlichen Schwerpunkt – und diesen Bereich hatten sich die Ärzte über viele Jahre massiv gekrallt“, so Ferstera.
Nach der Geburt beziehen sich die klassischen Sorgen der Mütter oftmals auf Themen wie das Stillen, das Schreien der Kinder und etwa die Integration eines Neugeborenen in einen Familienalltag, in dem bereits ein Kind lebt, erklärt Lobis. Einen Trend hin zu immer älteren Schwangeren könne sie indes nicht erkennen. „Im Gegenteil, das geht sogar eher wieder hin zu früheren Schwangerschaften“, sagt sie.
Dass sich heutzutage dennoch häufig Probleme ergeben und Eltern Kinderwunschkliniken aufsuchen, liegt laut Lobis vermehrt an der schlechter werdenden Qualität des männlichen Spermas. „Das wird durch verschiedene Faktoren, unter anderem durch Östrogene oder Antibiotika im Trinkwasser, verursacht.“ Dies sei mittlerweile der häufigste Grund dafür, dass Paare nicht schwanger werden können.
Ein Beruf,
der essenziell ist
Doch bei aller Herausforderung üben Lobis und Ferstera ihren Beruf nach wie vor „liebend gerne“ aus. Und das soll auch so bleiben.
Auch wenn das Aiblinger Hebammen-Team seit dem 1.November in erster Linie mit vielen Hebammen-Kolleginnen mitfühlt, könne man auch selbst Auswirkungen der neuen Gebührenverordnung nicht ausschließen. „Denn natürlich kann man jetzt spekulieren, ob womöglich viele Beleghebammen die Kliniken verlassen, weil es einfach nicht mehr rentabel ist.“ So sei es laut Ferstera auch denkbar, dass viele dieser Kolleginnen dann in den Bereich der Hebammenpraxen gehen, was dann in dem Sektor wiederum für mehr Konkurrenz sorgen könnte.
Bei der ganzen Diskussion, so betont das Team der Hebammenpraxis sollte man niemals vergessen, dass der Beruf der Hebamme – egal in welchem Tätigkeitsfeld – essenziell ist, und Neugeborene die Zukunft der Gesellschaft bleiben.