Rosenheim – Hochkarätige Gäste, spannende Vorträge und Diskussionen: Der 2. Fachtag Autismus im Rosenheimer OVB-Medienforum zeigte eindrucksvoll, wie viel Potenzial in autistischen Menschen steckt. Ebenso wurde klar, dass noch viel Aufklärungsarbeit nötig ist.
Jeweils 130 Menschen hatten sich an beiden Wochenendtagen im ausverkauften OVB-Medienforum eingefunden, um sich von namhaften Professoren und Referenten, die neuesten Erkenntnisse zum Thema Autismus näherbringen zu lassen. Die Einnahmen daraus gingen zu 100 Prozent an den Verein.
Der erste Tag stand komplett im Zeichen der „Innensicht“: Wie schon 2016 kamen Autistinnen und Autisten ausführlich zu Wort, was den Veranstaltern vom Autismus Rosenheim e. V. sehr wichtig war.
Mit beeindruckenden Vorträgen schafften Dr. Christine Preißmann, Dr. Peter Schmidt, Denise Linke sowie Marlies Hübner und Misha Vérollet so manchen „Aha-Effekt“ beim Publikum, das aus autistischen Menschen, Fachkräften, Eltern und weiteren Interessierten bestand. Immer wieder wurde klar, dass das „Anders-Sein“ und das „Nicht-Verstanden-Werden“ autistische Menschen in Depressionen treibt und einsam macht. „Sprüche wie ‚Stell dich doch nicht so an‘ tun weh“, stellte Dr. Christine Preißmann fest. Man könne viele Dinge von autistischen Menschen einfach nicht verlangen.
Mit größtem Engagement und teils amüsanten Anekdoten gab der Geophysiker Dr. Peter Schmidt einen Einblick in sein Leben, das gerade im Beruf von Missverständnissen und Spannungen geprägt war, weil er seine Umwelt nicht verstand und die Umwelt oftmals ablehnend auf ihn reagierte. Mal war er im Job der Leistungsträger, mal der Problemfall. Seine lebhaften Vergleiche machten die Behinderung greifbar.
Die Journalistin Denise Linke warb für Inklusion und kritisierte den geltenden Numerus Clausus in vielen Studiengängen. Er mache es autistischen Menschen oftmals schwer, ihren Berufswunsch zu erfüllen. „Warum wird mir eine Note 5 in Sport zum Verhängnis, wenn ich in den für den Studiengang relevanten Fächern nur die Note 1 habe?“, fragte sie. Das Autoren-Paar Marlies Hübner und Misha Vérollet aus Wien stellte ihr Portal „AutismusFAQ“ vor, in dem Autisten Fragen zu Autismus beantworten.
Der zweite Tag beschäftigte sich vor allem mit der wissenschaftlichen Sicht auf Autismus. „Prof. Dr. Georg Theunissen, Prof. Dr. Ludger Tebartz van Elst und Dr. Leonhard Schilbach bei einer Veranstaltung – das ist so, als hätten sie Ronaldo, Messi und Neymar in einer Fußballmannschaft vereint“, freute sich Stefan Kumberger vom Autismusverein Rosenheim, der die Veranstaltung auch moderierte.
Theunissen lieferte neueste Forschungserkenntnisse aus Kalifornien und stellte das sogenannte Empowerment-Konzept vor, das er für die Arbeit mit Behinderten bekannt gemacht hat.
Tebartz van Elst überraschte mit der Zahl, dass sich neuen Schätzungen zufolge unter 68 Menschen ein Autist befindet. Es handle sich aber mitnichten um eine kritisierte „Mode-Diagnose“, sondern früher hätten sich hinter der Zahl von Autisten andere Phänomene wie Angststörungen, Depressionen oder Borderline verborgen, die nun als Autismus erkannt worden seien. „Wir haben da einen gewissen Maximalwert erreicht“, sagte der Psychiater von der Universität Freiburg.
Dr. Schilbach vom Max-Planck-Institut in München verwies auf die Tatsache, dass 75 Prozent der Menschen mit Autismus trotz ihrer Qualifikationen arbeitslos sind. Das sei ein Skandal.
Weitere Informationen zum Fachtag sowie zur Arbeit des Vereins und der Selbsthilfegruppe gibt es im Internet unter www.autis- mus-rosenheim.de.re