Traunstein/Rosenheim – Vergewaltigung, schwerer Menschenhandel und Zwangsprostitution in einem Rosenheimer Bordell im Sommer 2016 – so lauteten die schweren Tatvorwürfe vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts Traunstein unter dem Vorsitz von Ernst Fuchs gegen die beiden Angeklagten, die sich am Ende so nicht umfassend bestätigten.
Dafür waren die Angaben des 29-jährigen Opfers zu vage. Die Frau blieb in vielen Fragen konkrete Antworten schuldig und verstrickte sich hinsichtlich der Tatzeiten und der Qualität der gewalttätigen Übergriffe in einige Widersprüche, einige Aussagen deckten sich nicht mit der polizeilichen Vernehmung. So ließ sich die angeklagte Vergewaltigung am Ende nicht nachweisen. Zudem blieb unklar, warum sie den Sohn bei der Familie des Angeklagten gelassen oder warum sie sich bei der polizeilichen Anmeldung in München nicht den Beamten anvertraut hat. Nach einem Rechtsgespräch, bei dem der Verfahrensstand erörtert wurde, visierten die Beteiligten für den Fall eines Geständnisses Bewährungsstrafen zwischen einem Jahr und sechs Monaten und zwei Jahren an.
Staatsanwältin Daniela Bachmayer hatte für den Angeklagten eine Gefängnisstrafe von drei Jahren gefordert und für die Angeklagte eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Die Geschädigte habe sich ohne Sprachkenntnisse in einem fremden Land befunden, mit 32 fremden Männern schlafen müssen und sich in einer bedrohlichen Situation befunden, die nicht zu verharmlosen sei. Es sei nachvollziehbar, dass sie sich, aus Angst um den Sohn, keine Hilfe geholt habe.
Laut Anklage kam der Stein im August 2016 mit dem Anruf des Rosenheimer Bordellbesitzers ins Rollen. Der hatte der Kripo mitgeteilt, dass ihn ein Kunde darüber informiert habe, dass der sich mit einer Prostituierten seines Etablissements in Bulgarien aufhalte und die Frau von den beiden Angeklagten gegen ihren Willen in Deutschland zur Prostitution gezwungen werde (wir berichteten).
In der Hoffnung auf eine bessere Zukunft hatte die alleinerziehende Mutter eingewilligt, die beiden Angeklagten nach Deutschland zu begleiten und ihren damals achtjährigen Sohn beim Vater des Angeklagten in Dobrich/Bulgarien zu lassen. Auf der Fahrt im Auto habe sie der Angeklagte dann vor vollendete Tatsachen gestellt und ihr klargemacht, dass sie in München als Prostituierte „schnelles Geld verdienen soll“. Er habe sie mit dem Kind unter Druck gesetzt, und aus Angst habe sie nicht gewagt, sich zu weigern.
Verteidiger Rechtsanwalt Frank Otten betonte, dass sich nach Aussage der Geschädigten ein gänzlich abweichender Sachverhalt zur Anklage ergeben habe. Das Geständnis seines Mandanten habe das Verfahren entscheidend abgekürzt. Zudem sei er kein „Berufskrimineller“ und nicht vorgeahndet. Aufgrund der andauernden Untersuchungshaft könne auf weitere Auflagen verzichtet werden. Der untere Strafrahmen von einem Jahr und sechs Monaten sei tat- und schuldangemessen.
Der Verteidiger der 23-Jährigen, Peter Pospisil, plädierte für eine Bewährungsstrafe von einem Jahr. Seine Mandantin sei selbst unter Druck gestanden und dem Angeklagten auf eine gewisse Weise hörig. Sie sei von der Untersuchungshaft gezeichnet und habe zudem mit ausländerrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Für das Schöffengericht stand der Tatvorwurf des schweren Menschenhandels fest. Richter Ernst Fuchs betonte, dass das Urteil auf den ersten Blick milde erscheinen möge, aber ohne Geständnis wäre es sehr schwer gewesen, den Tatnachweis nach so langer Zeit zu führen. Die Bewährungszeit werde auf drei Jahre festgesetzt.