Traunstein/Grassau – Bei einer Zugkontrolle ging Lindauer Schleierfahndern Anfang 2017 ein Sextäter, der zwei Jahre in einer Asylbewerberunterkunft in Grassau gelebt hatte, ins Netz. Bei den Ermittlungen erhärtete sich der Verdacht, der Festgenommene könne für drei versuchte beziehungsweise vollendete Vergewaltigungen in Traunstein und Kempten in den Jahren 2015 und 2016 verantwortlich sein. Den geständigen Marokkaner (36) verurteilte das Landgericht Traunstein gestern zu sieben Jahren Gefängnis.
Fahnder stießen bei der Personenkontrolle im Januar 2017 in der Bahn zwischen Buchloe und Kempten auf den Tatverdächtigen, gegen den ein Haftbefehl bestand. Der Abgleich von Genspuren führte zu einer versuchten Vergewaltigung einer Joggerin (45) in Kempten am 26. November 2016. DNA-Material des Täters fand sich damals auf der Pulsuhr und auf Kleidung des Opfers, das sich erfolgreich wehrte.
Der Täter gab sich bei der Festnahme als 34-jähriger Palästinenser aus, war aber zwei Jahre älter und stammt aus Marokko. Weil es in Traunstein zwei ungeklärte Vergewaltigungen gab, arbeiteten Kripo Traunstein und Kempten Hand in Hand. Eine 35-Jährige war im November 2015 am frühen Morgen auf dem Weg zum Parkplatz eines Nachtlokals in Traunstein, als sie ein Unbekannter überfiel. Der Vergewaltigungsversuch scheiterte an der massiven Gegenwehr der laut um Hilfe schreienden Frau. Ebenfalls in den frühen Morgenstunden auf dem Heimweg war eine 24-Jährige im April 2016, als sie im Bereich der „Brunner-Anlage“ in Traunstein überwältigt und vergewaltigt wurde.
Verteidiger Dr. Markus Frank aus Rosenheim regte gestern eine Verständigung an. Die Kammer sagte letztlich im Fall eines Geständnisses eine Strafe zwischen sechs Jahren und drei Monaten sowie siebeneinhalb Jahren zu. Der Verteidiger und die Nebenklagevertreterin waren mit dem Vorschlag einverstanden.
Dr. Frank führte aus, der Angeklagte räume alle Vorwürfe ein – auch, um den Opfern eine Aussage zu ersparen. Der 36-Jährige wolle sein Bedauern zum Ausdruck bringen. Bei allen Taten habe Alkohol eine Rolle gespielt – „im Sinn einer alkoholischen Enthemmung“.
Die Opfer, die alle Verletzungen davongetragen hatten, konnten den Sextäter bei der Polizei teils beschreiben. Das Institut für Rechtsmedizin in München räumte anhand von DNA-Untersuchungen Zweifel aus. Zwei Gutachter bestätigten das gestern. Polizeizeugen informierten über ihre Ermittlungen. Auf mehrere Zeugen wie die Geschädigten verzichteten die Prozessbeteiligten. Die Versuchstat vom April 2016 in Traunstein stellte die Kammer gestern mit Blick auf das strafrechtliche Gewicht der übrigen Vorwürfe und wegen nicht eindeutiger Beweislage ein. An den vereinbarten Strafspannen änderte sich dadurch nichts.
Der Angeklagte, aus Spanien nach Straftaten ausgewiesen, gelangte 2013 als „Palästinenser“ nach Deutschland, hatte von Grassau aus Kontakte zu Flüchtlingen in Kempten. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er zur Ausreise aufgefordert. Der psychiatrische Sachverständige, Dr. Josef Eberl vom Bezirksklinikum in Gabersee, attestierte dem durch Traunsteiner Gerichte dreifach vorbestraften Nordafrikaner volle Schuldfähigkeit. Konsum von Alkohol und Cannabis sei anzunehmen.
Staatsanwältin Martina Huber plädierte auf siebeneinhalb Jahre Gefängnis. Der 36-Jährige sei gezielt vorgegangen, habe Zufallsopfern in den Morgenstunden aufgelauert: „Das beeinträchtigt das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.“ Opferanwältin Sabine Laudien betonte, die Frau aus Kempten habe lange nicht arbeiten können und psychologische Behandlung benötigt. Verteidiger Frank hielt eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten für ausreichend.
Vorsitzender Richter Erich Fuchs unterstrich im Urteil, der Angeklagte habe eine vollendete Vergewaltigung in Traunstein begangen und eine versuchte in Kempten, jeweils gepaart mit Körperverletzung. Die Opfer seien physisch massiv verletzt und psychisch erheblich beeinträchtig worden. Für minderschwere Fälle fehlten jegliche Gesichtspunkte. Wichtigster Strafmilderungsgrund sei das Geständnis.