Großkarolinenfeld/Rosenheim – Für die einen ist das Auto ein reines Fortbewegungsmittel. Für die anderen – dazu zählt sich auch Ralf Petter aus Großkarolinenfeld – ist es etwas Besonderes. „Eine Lebenseinstellung“, sagt der 44-Jährige. „Mir haben Autos schon immer gefallen.“ Schon in jungen Jahren, Anfang der 90er-Jahre, schraubte er an seinem VW-Käfer und trat einem Käfer-Club bei. Heute arbeitet er als Fahrzeug-Aufbereiter und ist Vorsitzender der Street Technix Rosenheim. Petters Verständnis von Tuning: „Autos veredeln“, sagt er. Schöner, schneller, aber auch sicherer.
Nun könnte man sagen: Schöne, schnelle und sichere Autos gibt es auch serienmäßig – Petters Traumauto wäre zum Beispiel ein Bugatti Veyron. „Mit Tankstelle dazu“, sagt er und lacht. „Aber im Ernst: Das Gefühl in diesem Auto ist schon grandios.“ Der Haken: Für den Supersportwagen werden zwischen 1,6 und 2,2 Millionen Euro fällig. „So ein Auto kann sich bei uns keiner leisten“, erklärt Petter. Die Lösung: Ein vergleichsweise billigeres Auto – in seinem Fall etwa ein VW Polo und ein Seat Leon Cupra – kaufen und auf die entsprechenden Modifikationen hinsparen.
Auch wenn auf diese Weise keine Millionenbeträge fließen – ein billiges Hobby ist Tuning keinesfalls. „Unsere Mitglieder haben zum Teil das Doppelte des Kaufpreises in ihre Autos gesteckt.“ Etwa für Spoiler, Folien oder Fahrwerk, alles eingetragen im Fahrzeugschein. Und natürlich für die Motor-Performance – besser beschleunigen und schneller fahren soll die Kiste ja auch. Gerade in diesem Zusammenhang vertritt Petter jedoch eine klare Linie: „Wenn mehr Leistung, dann auch mehr Sicherheit.“ Zum Beispiel durch die Modifikation der Bremsanlage. Schließlich sind die 25 Mitglieder der Street Technix nicht alleine auf den Straßen unterwegs.
Entsprechend, so Petter, halte man sich auch an die Vorgaben der Straßenverkehrsordnung. „Wenn wir schnell fahren wollen, dann machen wir das auf der Autobahn. Da, wo es legal ist.“ Und auch nur zu Zeiten, wo es der Verkehr zulässt – gegen zwei oder drei Uhr nachts. „Von Straßenrennen und Ampelstarts distanzieren wir uns.“
Dass es sich dabei nicht um leere Worthülsen handelt, bestätigte Volker Klarner, Dienststellenleiter der Rosenheimer Polizei, gestern bei einem Pressegespräch zum Thema „Ein Jahr Auto-Poser-Szene“. „Da muss man klar trennen: Die Tuning-Szene will das selber nicht. Das ist keine Zielgruppe für uns.“
Besagte Zielgruppe, das hat die Auswertung gesammelter Erkenntnisse aus Geschwindigkeitsmessungen, allgemeinen Verkehrskontrollen und anlassbezogenen Kontrollen ergeben, setzt sich aus rund 20 Fahrern im Alter von 18 bis 28 Jahren aus dem Landkreis Rosenheim zusammen – neun davon fielen dauerhaft negativ auf. Auch weil sich Ende 2016 in Rosenheim die Beschwerden wegen Lärmbelästigung häuften, sah sich die Polizei veranlasst, etwas zu unternehmen. Unter Federführung der Rosenheimer Polizei entstand die Ermittlungsgruppe Auto-Poser. Das Ziel: die Fahrer dazu zu bringen, ihr Verhalten zu ändern. Und sie – sofern sich keine Besserung einstellt – von der Straße zu holen.
Kochtopf am
Auto verbaut
Die Ermittlungsgruppe überwachte die Treffpunkte der Szene und die Zufahrtswege. „Wenn wir einen gesehen haben, haben wir ihn kontrolliert und gegebenenfalls sanktioniert.“ Im April dieses Jahres stellten Beamte ein Auto sicher, an dem zur Stabilisierung der Feder ein handelsüblicher Kochtopf verbaut war – damit der Radkasten nicht am Reifen schleift.
Deutlich gefährlicher sowohl für Verkehrsteilnehmer als auch Beamte war dagegen ein illegales Rennen – seit einer Gesetzesänderung im Oktober eine strafbare Handlung. Drei Fahrzeuge bretterten mit 130 km/h über die Äußere Münchener Straße und überholten sich gegenseitig. „Auf Höhe der Firma Krones konnten wir das Rennen stoppen“, erzählt Klarner. Die Folge: Fahrverbote für alle, Geldstrafe, dreiwöchiger Dauerarrest und eine siebenmonatige Haftstrafe.
Insgesamt zieht die Ermittlungsgruppe eine positive Jahresbilanz. Einige der PS-starken Fahrzeuge wurden beschlagnahmt. Alle neun Angehörigen des harten Kerns der Rosenheimer Auto-Poser-Szene haben Fahrverbote kassiert. Alle neun, so Klarner, seien seitdem nicht mehr in Erscheinung getreten. Darauf will sich die Polizei jedoch nicht ausruhen: „Wir werden weiterhin konsequent gegen Raser vorgehen“, sagt Polizeipräsident Robert Kopp.