Rosenheim/Landkreis – Klares Bekenntnis zur EU: 63,1 Prozent der Wahlberechtigten im Landkreis Rosenheim haben gestern ihr Kreuzchen gesetzt. 2014 waren es nur 41,7 Prozent gewesen. Auch in der Stadt Rosenheim hat die Debatte über die „Schicksalswahl“ ihre Wirkung nicht verfehlt. Diesmal nahmen 57,3 Prozent teil, vor fünf Jahren waren es nur 37,6 Prozent. Ins neue Parlament zieht als einzige Vertreterin aus der Region ein zweites Mal Maria Noichl (SPD) ein. Ihre Partei ist jedoch auch hier die große Verliererin: Die Sozialdemokraten sackten in Stadt und Landkreis fast überall weit unter zehn Prozent – ein historisch schlechtes Ergebnis. Die SPD landete mit 7,1 Prozent im Landkreis und 9,4 Prozent in Rosenheim deutlich abgeschlagen hinter den Grünen, die es im Landkreis auf 18,5 Prozent und in der Stadt auf 21,9 Prozent schafften, sowie hinter der AfD (8,3 Prozent im Landkreis und 9,5 Prozent in Rosenheim).
Die CSU hat bei der Europawahl gegenüber 2014 minimal hinzugewonnen. 43,6 Prozent der Wählerinnen und Wähler im Landkreis gaben den Christsozialen gestern ihre Stimme. 2014 waren es 43 Prozent gewesen. In der Stadt Rosenheim fiel das Ergebnis der CSU etwas schlechter aus. Hier erreichte sie 35,8 Prozent. 2014 waren es 37,0. Prozent.
Trotzdem schaffte die CSU nur noch in zwei der 46 Kommunen im Landkreis die 50-Prozent-Hürde: in Babensham, wo der stellvertretende Landrat Josef Huber auch Bürgermeister ist, und in Eiselfing. Hier gibt es einen grünen Bürgermeister. Ihr schlechtestes Ergebnis verbuchte die CSU traditionsgemäß in Wasserburg, wo sie nur 33,8 Prozent wählten.
Sozialdemokraten
nur in Wasserburg über zehn Prozent
Der Abwärtstrend der SPD hat sich auch in der Region Rosenheim fortgesetzt. Im Landkreis, wo sie bei der Europawahl vor fünf Jahren auf 14,1 Prozent gekommen war, schaffte sie es nur noch auf 7,1 Prozent. In der Stadt Rosenheim, wo sich die Sozialdemokraten 2014 bei der Europawahl wieder als zweitstärkste Kraft vor die Grünen gesetzt hatten, musste sie diesen Platz wieder an die Grünen abgeben. Die Sozialdemokraten erzielten in Rosenheim 9,4 Prozent der Stimmen. Es gibt Kommunen, da schaffte die SPD nicht (die bei der Europawahl keine Rolle spielende) Fünf-Prozent-Hürde: Chiemsee, Höslwang, Schonstett und Tuntenhausen. Letzte Kommune, in der die SPD knapp über zehn Prozent kam: Wasserburg, die Stadt des sozialdemokratischen Bürgermeisters Michael Kölbl.
Die Grünen setzen ihren Erfolgskurs weiter fort. Sie sind fast überall zweitstärkste Kraft. Im Landkreis holten die Grünen 18,5 Prozent, in der Stadt Rosenheim 21,9 Prozent. Am stärksten sind sie traditionsgemäß in Wasserburg (24,1). Im Inntal schafften sie es ebenfalls mehrmals über 20 Prozent. Am schwächsten sind die Grünen in Schechen (12,8 Prozent), in Vogtareuth (13,3 Prozent) sowie in Halfing (14,3) und in Griesstätt (14,7).
Die AfD blieb im Landkreis viertstärkste Kraft. Doch die Erfolgskurve der Populisten neigt sich nach unten: Vor fünf Jahren, als die Alternative für Deutschland zum ersten Mal zur Europawahl angetreten war, hatte sie auf Anhieb im Landkreis 9,3 und in der Stadt Rosenheim sogar 10,9 Prozent geholt. Diesmal kam sie im Landkreis auf 8,3 Prozent, in Rosenheim auf 9,5 Prozent.
Besonders viele Wählerinnen und Wähler unterstützten die AfD in den Wahlkabinen von Kolbermoor (11,3 Prozent) und Ramerberg (10,5) sowie am Samerberg (10 Prozent). In Soyen (4,8 Prozent) und Breitbrunn (5,8) ist die AfD nach wie vor weit abgeschlagen.
Die Freien Wähler profitierten anscheinend im Freistaat etwas von der Regierungsbeteiligung. Im Landkreis schafften sie es auf 5,1 Prozent (2014: 3,7 Prozent), in der Stadt auf 3,9 Prozent (2014 waren es nur 2,9 Prozent).
Die FDP legte leicht zu: Im Landkreis auf 3,3 Prozent, in der Stadt auf 3,7 Prozent.
Der ÖDP ist es erneut nicht gelungen, ihren Erfolg als Initiatorin des Volksbegehrens für mehr Artenvielfalt in ein Wahlergebnis zu überführen. Sie blieb fast überall unter fünf Prozent, die „Hürde“ schaffte sie nur in Wasserburg, Riedering und Soyen.
Obwohl Maria Noichl durch ihren Listenplatz ein Sitz im neuen EU-Parlament sicher ist, war ihre Stimmung gestern getrübt. „Ich hatte mir deutlich mehr erhofft“, betonte sie. Die SPD habe das Thema Soziales in den Fokus ihres Wahlkampfes gerückt. Dieser Schwerpunkt sei jedoch vom großen Thema Klimaschutz abgehängt worden. Dass die Sozialdemokraten bei diesem Thema auch gut positioniert seien, das hätten sie leider nicht ausreichend vermitteln können. Noichl wird angesichts des schlechten Ergebnisses in Stadt und Landreis nach eigenen Angaben nicht bange Richtung Kommunalwahl 2020. Sie ist der Meinung, die Europawahl dürfe nicht aus der bayerischen Brille heraus betrachtet werden. Europaweit seien die Sozialdemokraten mit Abstand die zweitstärkste Kraft geworden. Im Freistaat habe es die Partei mit sozialen Themen schwer. Die Menschen hätten hier anscheinend das Gefühl, sozial abgesichert zu sein. Was Noichl trotz des schlechten SPD-Ergebnisses freut, ist die hohe Wahlbeteiligung. „Die Demokratie hat gewonnen“, sagt sie. Der gemeinsame Appell aller demokratischen Parteien, zur Wahl zu gehen, habe gefruchtet. Das Ergebnis sei ein klares Bekenntnis zu Europa.