Bub am Steuer von Bus: Unfall

von Redaktion

Amtsgericht stellt Verfahren gegen Kindergartenleiter ein

Rosenheim/Wasserburg – Fahrlässige Körperverletzung lautete die Anklage gegen den Leiter des privaten Kindergartens Gänseblümchen in Wasserburg, der jetzt vor dem Amtsgericht Rosenheim stand. Vor gut einem Jahr war ein damals knapp Fünfjähriger zusammen mit einem Kindergartenfreund bei einem Autounfall laut Anklage von einem Kleinbus des Kindergartens vor dem Gebäude überrollt und verletzt worden. „Unfallverursacher“: ein mehrfach behinderter Bub der Einrichtung, der die Handbremse löste und den Bus rückwärts rollen ließ.

Wie das geschehen konnte, ließ sich vor Gericht nicht vollkommen klären. Laut Aussage des Kindergartenleiters saß der Bub auf dem Beifahrersitz des schon fast voll besetzten Busses.

Bus stand auf abschüssiger Straße

Eine Gruppe von Kindern sollte mit ihm zu einem Ausflug zu einem Erdbeerfeld starten. Das aufgeregte Kind auf dem Beifahrersitz des vor dem Kindergarten auf leicht abschüssiger Straße abgestellten Busses habe er nicht beachtet, sondern sich stattdessen einem kleinen Mädchen gewidmet, das auch noch einsteigen wollte, sagte der Mann bei seiner Vernehmung. Es sei bekannt gewesen, so der Beklagte vor Gericht, dass man diesen Buben, wenn er zu aufgeregt war, erst durch ein gewisses Maß an Nichtbeachten beruhigen konnte.

Als er bemerkt habe, dass der Bus rückwärts rollte und der Bub mittlerweile auf dem Fahrersitz saß, sei er in den Bus geklettert, um diesen zu stoppen, so der Kindergartenleiter. Zwei Kinder, die neben der Tür standen, habe er dabei wohl zur Seite gestoßen, damit sie sich nicht verletzten – einer der Buben ist der Enkel des Kindergartenleiters. Beide trugen dennoch Blessuren davon, einer von ihnen geriet unter den Bus.

Kollegen des Angeklagten, die den beiden Buben und ihm nach dem Unfall zu Hilfe eilten, hätten sich sofort um die Kinder gekümmert. Beiden hätten außer Abschürfungen und blauen Flecken keine äußerlich erkennbaren Verletzungen erlitten. Sie hätten geweint, seien aber ansprechbar gewesen, so der Kindergartenleiter.

Daraufhin habe man die Eltern der Kinder verständigt. Die Mutter des Buben, der unter den Bus geraten war, trat in dem Prozess als Nebenklägerin auf und sagte vor Gericht, sie habe sofort ihren Sohn abgeholt und zum Kinderarzt gebracht. Der alarmierte den Rettungsdienst.

Der Vater dieses Buben, der als Zeuge auftrat, erklärte, dass er die Situation direkt am Unfallort anders erlebt habe. Sein Sohn habe auf einer Matratze gelegen und sei nicht ansprechbar gewesen. Deswegen sei die Familie sofort zum Kinderarzt gefahren, der den Buben unmittelbar ins Romed-Klinikum nach Rosenheim überwiesen habe. Da die Klinikärzte nach eingehender Untersuchung zunächst keine gravierenden Verletzungen festgestellt hätten, hätten sie die Familie wieder nach Hause geschickt.

Weil es dem Fünfjährigen zunehmend schlechter ging, fuhr die Familie erneut ins Krankenhaus nach Rosenheim. Dort wurde jetzt eine Leberblutung festgestellt. Nach einigen Tagen auf der Kinderintensivstation sei ihr Sohn wieder entlassen worden, bis heute aber belaste ihn der Unfall, so sein Vater. Auf Nachfragen von Richter Wolfgang Fiedler sagte der Zeuge aus, dass der Kleine von Anfang an erklärt habe, dass er unter dem Fahrzeug gelegen habe. Ihm habe ein Arzt bestätigt: „Ein Kind in dem Alter lügt nicht.“

Ein Beamter der Wasserburger Polizei erklärte bei seiner Befragung als Zeuge, dass der Unfall erst gut vier Wochen später der Polizei gemeldet worden sei und man das Fahrzeug deshalb nicht mehr auf Spuren überprüft habe, die Rückschluss auf das Geschehen hätten geben können.

Mitarbeiter

als Zeugen

Nacheinander wurden schließlich vier Mitarbeiter des Kindergartens als Zeugen aufgerufen. Zwei gaben an, sich an nichts mehr erinnern zu können, die anderen beiden Erzieherinnen hingegen schilderten ihre Erinnerungen an den Tag des Unfalls. Sie seien allerdings während des Unfallgeschehens im Haus gewesen, sodass sie vom Hergang nichts mitbekommen hätten.

Rechtsanwalt Fabian Tretter, der die Nebenklägerin vertrat, hakte bezüglich der Aufsicht für das Kind nach, das die Handbremse gelöst hatte. Es habe besonderer Betreuung bedurft, aber keinesfalls einer „1 zu 1“-Betreuung, so die Erzieherin. Auch die andere Zeugin äußerte sich ähnlich.

Richter Fiedler fasste zusammen: Es sei unmöglich, vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung wegzukommen. Gleichwohl betonte er, dass hier „viele Zufälle zusammengekommen“ seien. Man müsse dankbar sein, dass nichts Schlimmeres passiert sei. Er schlage vor, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen.

Diese solle 20 Tagessätze à 60 Euro ausmachen, wobei ein Abschlag für die Kosten der Nebenklage mit einzuberechnen sei. Das Geld solle der Stiftung Kunterbunt e.V., einem Inklusionsverein mit Sitz in Murnau, zugutekommen. Der Beklagte bekomme keinen Eintrag ins Bundesstrafregister.

Mit Urteil

einverstanden

Es gehe um einen Fahrlässigkeitsvorwurf im untersten Bereich. Nach kurzer Beratung kamen die beiden Parteien, vertreten durch die Anwälte Fabian Tretter und Dr.Matthias Meindl, vor Gericht wieder zusammen und stimmten dem Urteil zu. Die Nebenklägerin erklärte, sie habe den Prozess angestrengt, „damit nicht noch mehr passiert“. Inklusion, wie von der Regierung gefordert, bleibe problematisch, sagte der Angeklagte in seinem letzten Wort.

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