Kohlberger-Fall beschäftigt Justiz

von Redaktion

Tatbestand Volksverhetzung durch OB-Kandidat der AfD wird geprüft

Rosenheim – Die Äußerungen von Andreas Kohlberger, AfD-Kandidat fürs Oberbürgermeisteramt, schlagen weitere hohe Wellen: Nach der Strafanzeige von SPD-Stadtrat Abuzar Erdogan bei der Staatsanwaltschaft Traunstein (wir berichteten) hat Kohlberger reagiert und noch am Dienstagabend die Sache seinem Rechtsanwalt übergeben.

Im Raum steht gegen Kohlberger der Vorwurf der Volksverhetzung. Dieser basiert auf einem Video, das die Organisation AfD Watch vergangene Woche auf ihren Youtube-Kanal gestellt hat. Darin spricht Kohlberger bei einer öffentlichen Veranstaltung am 1. Juli 2018 in Frasdorf und führt unter anderem „schlägern statt reden“ als Mittel auf, um Menschen mit Migrationsgeschichte die Grenzen aufzuzeigen.

So würde er heute nicht mehr argumentieren, rudert der AfD-Kandidat gegenüber unserer Zeitung zurück. „Definitiv nicht. Das war übertrieben.“ Kohlberger zieht sich darauf zurück, dass beim Video Passagen rausgelassen wurden und so ein anderer Fokus entstanden sei. Welche Passagen das gewesen sind, daran könne er sich nicht erinnern, so Kohlberger.

Das vorhandene Video-Material (Dauer etwa 40 Minuten) zeigt, dass zunächst der AfD-Kreisvorsitzende Andreas Winhart spricht, es Reaktionen aus dem Publikum gibt und Winhart daraufhin das Mikrofon an Kohlberger überreicht. Dieser äußert sich dann unter anderem so: „Aber wenn ich dem eine, entschuldigen Sie den Ausdruck, eine aufs Maul geb´, dann weiß er, was eine Grenze ist. Das hab ich mein Leben lang so gemacht und das werd´ ich immer so machen.“

Lokalpolitiker
rudert zurück

Gestern distanzierte sich Kohlberger von dieser Aussage. Es tue ihm leid, dass er sich emotional dazu habe hinreißen lassen. Schlechte Menschen gebe es überall, Schlägern sei kein Mittel. In Gesprächen mit Bürgern in Frasdorf seien 2018 die Gefühle hochgeschwappt, auch seine eigenen aufgrund eines Vorfalls in 2017. Da sei er mit der ältesten Tochter und seiner Frau spätabends zum Bahnhof unterwegs gewesen. Mit Ausdrücken wie „fucking women“ hätte dort ein Farbiger die Damen beleidigt. Als er den Mann zur Räson gerufen habe, habe dieser mit Stühlen geworfen und sei aggressiv geworden. „Was wäre geschehen, wenn die Frauen allein unterwegs gewesen wären?“, rechtfertigt Kohlberger seine Gemütsbewegung und argumentiert, dass er nichts gegen Migranten und Ausländer habe: „Ich habe einen kroatischen Schwager, einen syrisch-mohammedanischen Schwiegersohn, einen syrischen Lehrling und einen farbigen Onkel.“

Den Vorwurf der Volksverhetzung weist Kohlberger weit von sich. Er habe niemanden aufgehetzt, auch wenn er in seiner Rede Türken erwähne („Ich bin in Rosenheim groß geworden. Ich hab jeden zweiten Tag gerauft, gegen die Türken oder mit den Türken oder mit wem anders oder andere Nationalitäten“). Dennoch untersucht nun die Staatsanwaltschaft den Vorgang.

„Ich kann bestätigen, dass bei der Staatsanwaltschaft Traunstein im Februar eine Anzeige gegen Andreas Kohlberger wegen volksverhetzender Äußerungen am 1. Juli 2018 in Frasdorf eingegangen ist. Der Sachverhalt wurde hier erst durch die Anzeige bekannt. Die Abklärung des Sachverhalts dauert an. Der Zeitpunkt des Ermittlungsabschlusses ist noch nicht absehbar“, so Oberstaatsanwalt Björn Pfeifer gestern auf Anfrage.

Erdogan will
Rassismus klein halten

Die Anzeige erstattete SPD-Stadtrat Erdogan. Es sei ihm wichtig, bei der Kommunalwahl und darüber hinaus Hass und Rassismus klein zu halten. Auch wenn beim Äußerungsdelikt Volksverhetzung einiges durch Meinungsfreiheit abgedeckt sei, so stehe doch unter Strafe, wer zu Willkürmaßnahmen oder Gewalt gegen ethnische Minderheiten aufrufe.

So ist Volksverhetzung definiert

Im Strafgesetzbuch definiert Paragraf 130 den Tatbestand einer Volksverhetzung so:

1. Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert, oder

2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

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